Kommunikation und Einarbeitung – auch in Tierarztpraxen Grundpfeiler einer vielversprechenden Anstellung
Ein anonymer Erfahrungsbericht – Anregung zum Nachdenken und hilfreiche Tipps
Meine gescheiterten Anstellungen hatten zumeist Eines gemeinsam: Es bestand prinzipiell eine unterschiedliche Vorstellung von Werten, Gesetzen, Kommunikation und Relevanz einer Einarbeitung.
Mobbing, Bedrohung, Erpressung und Beleidigung sind nur eine Auswahl an Nomen, die ich mit beendeten Anstellungen verbinde. Mir wurde sukzessive meine Freude am Praktizieren genommen, denn irgendwann ist bei jedem das Maß an zwischenmenschlichen, fachlichen sowie rechtlichen Fehltritten voll.
Der Grund für den Text
Ich teile meine Erlebnisse, Erkenntnisse und Ernüchterungen, um KollegInnen möglichst vor ähnlichen Erfahrungen zu bewahren und aufzuzeigen, wie ich es mir vorgestellt hätte bzw. wie die KollegInnen es besser machen könnten.
Eckpunkte meiner Praxiserfahrungen
Ich wurde Zeuge, wie Auszubildende vor Kunden beleidigt, haltlos beschuldigt und abgemahnt wurden.
Ebenso beobachtete ich wie Urlaubsanträge über sechs Monate ignoriert wurden, auch nach diversen Gesprächsanläufen mit dem Arbeitgeber.
KollegInnen und ich erhielten über Monate das Gehalt mit einer prekären Verspätung. Nach konstruktiver Ansprache der daraus entstehenden Konsequenzen für die MitarbeiterInnen wurde ich angeschrien.
Zudem erlebte ich wie der Mitarbeiterschutz nur eine rudimentäre, untergeordnete Rolle spielte (fehlende Dosimetrie, Verbot Maulkörbe anzuwenden, etc.).
Ich wurde Zeuge, wie Mitarbeiter zu strafrechtlichen Fehlern ermutigt wurden.
Ferner erfuhr ich wie vertragliche Vereinbarungen aus Vorstellungsgesprächen gänzlich ignoriert oder vergessen wurden (Gehalt, Urlaub, Notdienstvereinbarungen, gründliche Einarbeitung, Kenntnisstand bei Einstellung, etc.).
Des Weiteren erlebte ich mehrfach wie nur eine unzureichende Kommunikation mit Mitarbeitern geführt wurde.
Im Detail
In einer Anstellung fand ich in einem vorgelegten Arbeitsvertragsexemplar, drei Wochen nach Eintritt, eine deutlich geringere Bruttovergütung vor, als ursprünglich im Vorstellungsgespräch mit Handschlag vereinbart. Es folgten noch zwei weitere inhaltlich und rechtlich inkorrekte Vertragsexemplare, weshalb letztendlich ohne einen gültigen Arbeitsvertrag gearbeitet wurde bis die Anstellung in der Kündigung endete.
Des Weiteren erlebte ich, wie man in einer neuen Anstellung ohne jegliche Einarbeitung, mit noch wenig Berufserfahrung (< sieben Monaten) von dem ersten Arbeitstag an, inklusive dem folgenden Wochenende, Rufbereitschaft absolvieren musste. Diese dienstliche Fehleinteilung des Chefs kann im schlimmsten Fall eine fachliche Fehlentscheidung eines Anfangsassistenten im Rahmen eines Notfalles bedeuten, was sich letztlich auf die gesamte Praxisreputation ausüben kann.
Lösungen waren selten zu finden, denn mit cholerischen, uneinsichtigen, gesetzesblinden oder gar unfehlbaren Arbeitgebern war eine konstruktive Konversation kaum möglich.
Hilfreiche Empfehlungen
In einem Vorstellungsgespräch sollten alle arbeitsrelevanten Konditionen offen und ehrlich angesprochen werden. Alle Nebenabreden sind schriftlich zu fixieren. Mündlich getroffene Entscheidungen seitens des Arbeitgebers benötigen für ihre Rechtskraft der schriftlichen Form. Hat man eigenständig noch einen vertraglichen Aspekt, der zwischen beiden Parteien festgehalten werden soll, geschieht dies ebenfalls in Schriftform.
Alle Vereinbarungen eines Vorstellungsgespräches (z.B. Gehalt, Urlaubstage, etc.) sind mit Handschlag bereits rechtskräftig fixiert, eine Übernahme in den Arbeitsvertrag ist dennoch zwingend erforderlich.
Die Einarbeitung
Ist einem eine gewissenhafte Einarbeitung wichtig, betont man dies zumeist im Bewerbungsanschreiben und bei Bedarf erneut im Vorstellungsgespräch. Um zu eruieren, ob nun beide Parteien eine ähnliche Vorstellung der Einarbeitung haben, kann man explizit nachfragen, wie diese gestaltet wird. Man hat ebenfalls die Option Ziele der Einarbeitung schriftlich zu fixieren.
Ist die Einarbeitung nicht eine Chance für den Arbeitgeber den neuen Angestellten möglichst so zu formen/ anzulernen/ einzuführen, dass er letztendlich mit der Unternehmensphilosophie konform geht?!
Sollte es prinzipiell nicht das Ziel sein, dass Angestellte einer Praxis untereinander möglichst kongruent arbeiten und eine Geschlossenheit als Team dem Kunden präsentieren? Ist es nicht sogar die Erwartung des Tierhalters, dass, wenn er in einer Praxis bei Tierarzt A mit seinem Tier in Behandlung ist, bei einem nächsten Termin sein Kollege Tierarzt B eine ähnliche, nahezu gleiche Vorgehensweise z.B. hinsichtlich der Diagnostik und Therapie zeigt?
Letztendlich ist es die Reputation der eigenen Praxis, die man positiv beeinflussen kann, wenn man KollegInnen im Rahmen einer Einarbeitung in die eigene praxisinterne Philosophie einführt.
Zudem gibt die Einarbeitung zum Einen die Chance Hürden und Herausforderungen aufzudecken, um sie gemeinsam zu bewältigen. Zum Anderen bietet sie Raum das Team sowie auch die Praxis und deren Gepflogenheiten kennen zu lernen.
Schlussendlich gibt die zumeist sechsmonatige Probezeit dem Angestellten wie dem Arbeitgeber ebenso die Chance die Beschäftigung grundlos binnen einer Frist von zumindest zwei Wochen zu beenden. Grobe Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, den Mitarbeiterschutz sowie Straftaten etc. sind beispielsweise berechtigte Gründe eine Praxis unverzüglich verlassen zu wollen.
Die Kommunikation
Meiner Meinung nach sollte jede finale Entscheidung vorab mit einem offenen Gespräch einhergehen, wenn dies nicht grundsätzlich regelmäßig (zumindest zweimal jährlich) geschieht.
Keine Partei sollte vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Meiner Meinung nach gehören regelmäßige Team- sowie 1:1- Konversationen in jedes Unternehmen. So können in regelmäßigen engen Abständen mögliche Hürden und Hindernisse, Herausforderungen, Fehler sowie auch Erfolgserlebnisse in einem respektvollen Rahmen thematisiert werden. Zudem wächst das Team durch die regelmäßige, ehrliche und offene Kommunikation enger zusammen. Empfehlungen und weitere Gedanken dazu geben unter anderem auch die BaT-Standards.
Schlusswort
Eine offene und ehrliche Kommunikation sowie eine gewissenhafte Einarbeitung habe ich bis dato nicht erfahren. Ich wünsche all meinen KollegInnen viel Erfolg und Kraft diese eine erfüllende, wertschätzende Anstellung mit Perspektive zu finden.
Anonym
für den BaT