Schade, Chance vertan
Im Leitartikel „Bessere Bezahlung gegen flexiblere Arbeitszeiten“ in der VETimpulse 32. Jahrgang, Ausgabe 14, vom 15. Juli 2023, wurde über die Notwendigkeit eines Tarifvertrages in der Tiermedizin diskutiert. Ein Kommentar unserer 1. Vorsitzenden Dr. Elisabeth Brandebusemeyer erschien in der darauffolgenden Ausgabe der VETimpulse unter dem Titel “Schade, Chance vertan!”.
Die gegensätzlichen Positionen
Der Leitartikel stellt zunächst die gegensätzlichen Positionen der Berufsverbände bpt und BaT dar.
bpt: Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes für die Tiermedizin in der Gesetzesnovelle, wie es sich die Arbeitgebenden wünschen
BaT: Tarifverträge, die ebenfalls die gewünschte Flexibilisierung ermöglichen, aber im Gegenzug für die Bereitschaft der angestellten Tierärzt:innen, längere Arbeitszeiten, Nacht- und Wochenenddienste und kürzere Ruhezeiten zu akzeptieren, definierte Entschädigungen (Ausgleich, Gehalt, Urlaub) bieten. Dies wurde leider überhaupt nicht deutlich.
Das sind die unterschiedlichen Positionen.
Im Anschluss wäre die neutrale und differenzierte Darstellung der Unterschiede hilfreich gewesen.
Das Zitat des FDP-Bundestagsabgeordneten, Johannes Vogel, ist in diesem Zusammenhang nicht zielführend, da Tarifverträge einer Viertagewoche überhaupt nicht im Wege stehen. Selbst das Arbeitszeitgesetz lässt 10-Stunden-Arbeitstage zu.
Dass hier die FDP zitiert wird, ist dennoch wahrscheinlich kein Zufall. Möglicherweise hegt der bpt die Hoffnung, nach Absagen zur Flexibilisierung von SPD und den Grünen, den kleinsten Koalitionspartner ins Boot zu holen, um die Grundsätze der demokratischen, sozialen Marktwirtschaft in Richtung der den Arbeitgebenden wohlgesonnenen, freien, neoliberalen Marktwirtschaft zu verschieben.
Wünsche der Arbeitnehmer:innen dürfen nicht weiter ignoriert werden
Über dreißig Jahre Arbeitgebenden-Lobbyarbeit haben uns unter anderem in die jetzige Krise in der Tiermedizin geführt: Niedrige Gehälter für hochqualifizierte Akademiker:innen, vielfach schlechte Arbeitsbedingungen (Jensen et al., 2022) und geringe Arbeitszufriedenheit (Jensen et al.) 2022, hohe Abwanderungsquoten in lukrativere, befriedigendere Arbeitsverhältnisse, mangelnde Wertschätzung und eine eklatant hohe Selbstmordgefährdungsrate.
Das Kleinreden der einzigen reinen Arbeitnehmendenvertretung in der Tiermedizin, das Unterfangen, Arbeitgebenden-Positionen in Gesetzesvorlagen durchzudrücken unter Missachtung der Wünsche der angestellten Tierärzt:innen wird diese Krise nicht lösen, sondern verschärfen.
BaT hat Tarifvertrag erarbeitet
Entgegen der Darstellung des bpt war der BaT nicht untätig, sondern hat innerhalb der kurzen Zeitspanne seit seiner Gründung 2016 mit Unterstützung des Marburger Bundes einen ersten verhandlungsfähigen Tarifvertrag für die Tiermedizin erarbeitet, ein Gremium zur Verhandlungsführung gegründet, auf seiner Homepage über Vor- und Nachteile, Mythen und Halbwahrheiten aufgeklärt und über die noch nötigen Schritte zum Abschluss von Tarifverträgen informiert. Außerdem wurden erste Sondierungsgespräche mit Arbeitgebenden-Organisationen geführt. All diese kleinen Schritte wurden von unserer Seite regelmäßig in den verschiedensten Print- und Onlinemedien kommuniziert.
Nun müssen die Arbeitgebenden aktiv werden
Der Spielball liegt jetzt eindeutig auf Seiten der Arbeitgebenden, sich von der bpt-Position „Flexibilisierung zum Nulltarif“ zu verabschieden und mit Hilfe von Tarifverhandlungen erste Schritte in Richtung zukunftsfähige Lösungen für die Tiermedizin zu gehen.
Dabei ist von einem flächendeckenden, allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, der für alle Sparten (GT, KT, Pfd, Gemischt…) der Tiermedizin und alle Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden gilt, nicht die Rede, sondern von ersten Verträgen zwischen tarifwilligen Arbeitgebenden aus dem KT-Bereich und Arbeitnehmenden, die Mitglied im BaT sind.
In diesem Zusammenhang ist die Darstellung im Vetimpulse-Artikel, am 20.06.2023 hätten sich “Vertreter des BaT, VUK, der GfT sowie der Corporates AniCura, MC Evidensia und Tierarzt Plus Partner zu einem Gespräch, um die Gründung einer Arbeitgeber-Tarifpartei auszuloten” in Hannover getroffen, nicht korrekt. Es handelte sich um ein reines Arbeitgebenden-Treffen ohne Beteiligung des BaT.
Was jetzt passieren muss
Verhandlungen von Arbeitgebendenverbänden mit dem BaT über die Details des von uns erarbeiteten Tarifvertrags. Er enthält selbstverständlich die von Arbeitsminister Heil erwähnten 24stündigen Bereitschaftsdienste und noch vieles mehr, was die Arbeitsorganisation in notdienstleistenden Einheiten erleichtern und die Dienste für die Angestellten attraktiver machen würde.
Liebe Arbeitgebendenverbände, wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!
Für den Bund angestellter Tierärzte e.V.:
Dr. Elisabeth Brandebusemeyer, 1. Vorsitzende
Viele Informationen rund um das Thema Tarifvertrag gibt es in folgenden Artikeln:
Schritt für Schritt zum Tarifvertrag
Mythen rund um den Tarifvertrag
Vorteile eines Tarifvertrages für Arbeitnehmende und Arbeitgebende