COVID-19-Impfung durch Tierärzt:innen — aktueller Stand
Am 10.12.2021 hat der deutsche Bundestag den Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie angenommen. Mit dieser Gesetzesänderung eröffnet sich erstmals für Tierärzt:innen die Möglichkeit, sich an der Impfkampagne zu beteiligen. Dürfen nun Hund und Besitzer:in in der Praxis geimpft werden? Können Tierärzt:innen bei auftretenden Schäden durch die Impfung belangt werden und wird die Tätigkeit entlohnt?
Was sind die Voraussetzungen für Tierärzt:innen, um Menschen gegen COVID-19 impfen zu dürfen?
Nach § 20b des kürzlich geänderten Infektionsschutzgesetzes sind Tierärzt:innen, neben Zahnärzt:innen und Apotheker:innen nun zur Durchführung von Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV‑2 bei Personen, die das zwölfte Lebensjahr vollendet haben, berechtigt, wenn sie hierfür ärztlich geschult und ihnen die erfolgreiche Teilnahme an der Schulung bestätigt wurde.
In einer Kooperation der Bundestierärztekammer, der Bundesärztekammer und der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen wurde eine entsprechende Schulung entwickelt. Die Teilnahme an der fünfstündigen Online-Veranstaltung ist laut BTK seit dem 12.01.2022 kostenfrei möglich. Die Zugangsdaten sind im internen Bereich der jeweiligen Landestierärztekammern zu finden. Zusätzlich zum Erwerb der theoretischen Grundlagen muss eine zweistündige praktische Unterweisung in einem Impfzentrum o.Ä. erfolgen. Außerdem müssen geeignete Räumlichkeiten mit der Ausstattung zur Verfügung stehen, die für die Durchführung von Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV‑2 erforderlich ist oder es muss eine Einbindung der Tierärzt:innen in andere geeignete Strukturen, insbesondere in ein mobiles Impfteam oder ein Impfzentrum erfolgen.
Eine Impfung von Menschen in der tierärztlichen Praxis ist derzeit noch nicht möglich, da die Rahmenbedingungen noch nicht feststehen. Nach Einschätzung der BTK in einem Merkblatt für Tierärzt:innen vom 11.01.2022 kann es bis Ende Januar 2022 dauern, bis mit rechtssicheren Informationen zu rechnen ist.
Wie ist die Entlohnung geregelt?
Am 07.12.2021 hat eine E‑Mail der Sächsischen Landestierärztekammer, in der die Mitglieder zum Impfen aufgerufen werden, die Gemüter erregt, da die Beteiligung von Tierärzt:innen im Rahmen der Impfkampagne als ehrenamtliche, in der Regel unbezahlte Tätigkeit betitelt wird. Nach zahlreichen kritischen Stimmen ruderte die Sächsische LTK zurück. “Ob die Tätigkeit tatsächlich ehrenamtlich sein wird oder ob es dafür eine Aufwandsentschädigung bzw. Entlohnung geben wird, ist noch nicht abschließend entschieden. In jedem Fall ist aber angedacht, dass die teilnehmenden Berufsgruppen gleich behandelt werden.”
Zu den Zielen des BaT zählt die Aufwertung des tierärztlichen Berufsstandes. Aus unserer Sicht müssen Veterinärmediziner:innen, die ihr umfangreiches, vielfältiges Wissen in einem langen und höchst anspruchsvollen Studium erworben haben, für ihren Einsatz bei der Impfkampagne wertgeschätzt werden und dürfen daher finanziell im Vergleich zu den Humanmediziner:innen nicht schlechter gestellt werden.
Bisher wurden zu dieser Thematik keine einheitlichen Regelungen beschlossen.
Wie steht es um die rechtliche Absicherung?
Die tierärztliche Berufshaftpflichtversicherung deckt Haftpflichtansprüche aus der tierärztlichen Tätigkeit ab. Das Impfen von Menschen gegen COVID-19 fällt in den Bereich der Humanmedizin.
Wenn Sie als Arbeitnehmer:in in einem Impfzentrum tätig sein möchten, ist es dringend zu empfehlen, mit dem Träger zu klären und sich auch schriftlich bestätigen zu lassen, ob eine Absicherung durch das Impfzentrum gegeben ist und welche Verschuldungsmaßstäbe abgedeckt sind. Im Zweifelsfall sollte bzw. bei einer Tätigkeit auf selbstständiger Basis muss eine eigene Berufshaftpflichtversicherung für die Impftätigkeit abgeschlossen werden.
Besteht bereits eine eigene Berufshaftpflichtversicherung, z.B. da neben der Hauptstelle in der Praxis noch eine nebenberufliche Selbstständigkeit besteht, sollten Sie in Rücksprache mit dem Versicherungsträger gehen. Eine Ausweitung des Versicherungsschutzes ist, laut unseres Partners TVD Finanz über deren vermittelte Versicherungen, auf Antrag problemlos möglich.
Bezüglich einer gesetzlichen Unfallversicherung wurde durch den neu eingefügten § 218g Absatz 3 SGB VI Übergangsregelungen bei epidemischer Lage von nationaler Tragweite geregelt, dass die in einem Impfzentrum tätigen Ärzt:innen, Zahnärzt:innen, Tierärzt:innen und Apotheker:innen gesetzlich unfallversichert sind. Es sollte unbedingt mit dem Träger des Impfzentrums Rücksprache gehalten werden, ob eine Meldung an die Unfallversicherung erfolgt ist. Das Gesetz und die zugehörigen Einschränkungen sind hier zu finden.
Wie komplex das Thema einer Mitarbeit im Impfzentrum oder in Impfteams bereits für Humanmediziner:innen ist, ist ersichtlich durch die umfangreichen Informationen, die der Marburger Bund auf seiner Homepage in Form von FAQs zur Verfügung stellt. Hier werden auch für Tiermediziner:innen relevante Fragen rund um die Art der Anstellung in einem Impfzentrum, damit verbundene Aspekte rund um Unfallversicherung, Sozialversicherung und Haftpflichtversicherung sowie die Genehmigung einer Nebentätigkeit beantwortet. Wenn für Sie eine Tätigkeit in einem Impfzentrum in Frage kommt, ist die Lektüre der FAQs dringend zu empfehlen.
Fazit
Aufgabe der Bundes- und Landestierärztekammern ist es jetzt, die Klärung der offenen rechtlichen und versicherungstechnischen Fragen voran zu treiben, damit die interessierten Kolleg:innen mit ausreichender Absicherung tätig werden können. Dabei sind für angestellte Tierärzt:innen Regelungen, unabhängig von den Praxen, in denen sie beschäftigt sind, vorzuziehen.
Die jetzt erfolgte Einbindung von Tierärzt:innen in die Bekämpfung der COVID-19 Pandemie ist im Sinne einer One-Health-Strategie ausdrücklich zu begrüßen. Sind wir doch von Haus aus Mediziner:innen, epidemiologisch geschult und mit Impfungen grundsätzlich vertraut. In einer globalisierten Welt, in der Zoonosen eine zunehmende Bedrohung darstellen, werden alle zur Verfügung stehenden Experten gebraucht. Dahinter müssen einzelne Standesinteressen zurückstehen.
Nicht von ungefähr beschäftigt sich der 29. Deutsche Tierärztetag am 15./16. September 2022 in Berlin mit dem Thema “One Health — gemeinsam für die Gesundheit von Tier und Mensch”. Hoffen wir, dass er in Präsenz stattfinden kann, wenn die Pandemie auch mit Hilfe von Tierärzt:innen, eingedämmt ist.