Arbeitsrecht für Tiermediziner: Eine Zusammenfassung
Gesetzliche Arbeitszeit
Regelungen zur Arbeitszeit finden sich im Arbeitsvertrag (individuell vereinbart) und im Arbeitszeitgesetz. Das Arbeitszeitgesetz steht immer über den Regelungen im Arbeitsvertrag.
Die werktägliche Arbeitszeit des AN darf acht Stunden nicht überschreiten (§ 3 ArbZG). Als Arbeitszeit gilt die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ausschließlich der Ruhepausen (§ 2 ArbZG). Eine Woche hat grundsätzlich sechs Werktage; der Samstag zählt voll mit. Daraus ergibt sich eine höchst zulässige Arbeitszeit von 48 Stunden pro Woche (§ 3 Abs. 1 ArbzG).
Zur Arbeitszeit zählen
- Die „normale“ Arbeitszeit, in der der angestellte Tierarzt bzw. die angestellte Tierärztin z.B. zu den Sprechstundenzeiten in der Praxis anwesend ist, aber auch die Zeit vor der Sprechstunde für Praxisbesprechungen, Beladen der Autoapotheke, Ausarbeiten der Tagesroute, etc.
- Zeiten der Arbeitsbereitschaft, also Zeiten, in denen der angestellte Tierarzt bzw. die angestellte Tierärztin in der Praxis anwesend ist, aber gerade nicht untersuchen/behandeln muss, jedoch laufend beobachten muss, ob Arbeitsbedarf gegeben ist oder nicht
- Zeiten eines Bereitschaftsdienstes im engeren Sinne (s.u.)
- Fahrtzeiten zu den Tierhaltungsbetrieben (anders als sonstige Reisezeiten)
- Zeiten der Turnierbetreuung
Ruhepausen und Ruhezeiten
Bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden (6–9 Std.) müssen Unterbrechungen von mind. 30 Minuten eingehalten werden. Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden müssen Unterbrechungen von mind. 45 Minuten eingehalten werden. Diese Pausen können in Zeitabschnitte aufgeteilt werden, die mindestens 15 Minuten lang sein müssen. Länger als sechs Stunden dürfen AN nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden (§ 4 ArbZG). Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit muss eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden eingehalten werden (§ 5 ArbZG). Die Möglichkeit der Kürzung der Ruhezeit um bis zu eine Stunde gilt nicht für tierärztliche Praxen und Kliniken.
Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst
Rufbereitschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der AN nicht an einer vom AG bestimmten Stelle bereithalten muss; vielmehr muss er lediglich nur jederzeit erreichbar sein, um seine Arbeit auf Abruf beginnen zu können. Der AN kann sich innerhalb eines zuvor vereinbarten Gebiets an einem beliebigen Ort seiner Wahl aufhalten. Er muss jederzeit telefonisch erreichbar sein. Zur Arbeitszeit zählt nur die Heranziehungszeit, also diejenige Zeit, zu der der AN während dieses Dienstes zur Arbeit abgerufen wird.
Die sonstige Zeit der Rufbereitschaft wird rechtlich als Freizeit angesehen und zählt weder arbeitszeitrechtlich noch vergütungsrechtlich zur Arbeitszeit. Ob und in welchem Umfang Rufbereitschaft bezahlt wird, hängt von den Regelungen im Arbeitsvertrag ab, jedoch muss, auf alle geleisteten Arbeitsstunden berechnet, der Mindestlohn eingehalten werden.
Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn sich der AN zu Praxiszwecken an einer vom AG bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb der Praxis aufzuhalten hat, um im Bedarfsfalle die Tätigkeit sofort aufnehmen zu können. Zeiten des Bereitschaftsdienstes werden voll auf die höchst zulässige Wochenarbeitszeit von 48 Stunden angerechnet, da der AN während dieser Zeit in betriebliche Belange einbezogen ist. Somit zählen Bereitschaftsdienste zur Arbeitszeit. Diese müssen nicht zwingend in der Klinik/Praxis erbracht werden. Wenn die Arbeit von zu Hause erbracht wird, ist sie ebenfalls auf die Arbeitszeit anzurechnen.
In Tarifverträgen ergibt sich die Bezahlung oft durch den Heranziehungsanteil, z.B. 40% der normalen Stundenvergütung zuzüglich der je nach Lage des Dienstes zu zahlenden Nacht- und Feiertagszuschläge.
Überstunden
Abweichungen von der Höchstarbeitszeit (8 Std) um bis zu zwei Stunden sind möglich (§ 3 und § 7 Abs. 5 und Abs. 8 ArbZG). Die Arbeitszeit (inkl. Bereitschaftsdienst) darf innerhalb von 6 Monaten bzw. 24 Wochen im Durchschnitt jedoch nicht um mehr als 8 Stunden werktäglich überschritten werden. Somit ergibt sich eine maximale Obergrenze:
8 Stunden täglich x 6 Werktage = 48 Std. /Woche
x 24 Wochen = 1.152 Stunden
Es dürfen also in 24 Wochen nur 1.152 Arbeitsstunden geleistet werden.
Abweichungen sind möglich bei „unaufschiebbaren Arbeiten zur Behandlung und Pflege von Tieren“ an einzelnen Tagen, wenn dem AG andere Vorkehrungen nicht zugemutet werden können (§ 14 Abs. 2 ArbZG). Aber auch dann darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von 6 Monaten/24 Wochen nicht überschreiten. (§ 14 Abs. 3 ArbZG)
Überstunden beginnen im Sinne des ArbzG dort, wo die 48 Stunden höchst zulässige Arbeitszeit überschritten werden. Aber: Die arbeitsvertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit ist von Bedeutung. Wenn dort eine Regelarbeitszeit von 40 Stunden vereinbart ist, fängt eine Überstunde mit Beginn der 41. Stunde an.
Die über 48 Stunden hinausgehenden Arbeitsstunden sind innerhalb eines Ausgleichszeitraums von 24 Wochen durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Es muss gewährleistet sein, dass ein AN innerhalb eines Zeitraums von 24 Wochen nicht mehr als 24 x 6 x 8 Stunden = 1.152 Stunden arbeitet.
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch Ansprüche für geleistete Überstunden verjähren grundsätzlich innerhalb der Regelverjährungsfrist von 3 Jahren. Viele Arbeitsverträge enthalten jedoch Ausschlussklauseln, die besagen, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis spätestens drei Monate nach ihrem Entstehen geltend gemacht werden müssen; ansonsten verfallen sie.
Eine rückwirkende Forderung einer Vergütung für Überstunden ist möglich. Hierfür ist jedoch ein Nachweis der Überstunden erforderlich, sowie der Nachweis, dass diese Überstunden auf Anordnung durch den AG oder zumindest im Einvernehmen geleistet wurden (Dienstpläne, Stundenzettel, Kollegen als Zeugen). Die Beweislast liegt beim Arbeitnehmer! Wenn diese Beweislast erbracht werden kann, ist eine rückwirkende finanziell erhebliche Forderung denkbar und gerichtlich durchsetzbar.
Bei Überschreitung der 8 Stunden zulässiger Höchstarbeitszeit, bzw. 10 Stunden inkl. Überstunden ist der Tierarzt trotzdem weiterhin in der Sorgfaltspflicht und verantwortlich für seine Taten. Kann er nicht mehr gewährleisten, dass sein körperlicher oder geistiger Zustand nicht zu Behandlungsfehlern führt, sollte er daher Hilfe in Anspruch nehmen oder die Behandlung verweigern.
Sonntags- und Feiertagsarbeit
Grundsätzlich dürfen AN an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen nicht beschäftigt werden (§ 9 Abs. 1 ArbzG). „In Einrichtungen zur Behandlung und Pflege von Tieren“ können AN ausnahmsweise auch an Sonn- und Feiertagen zur Arbeit herangezogen werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 12 ArbZG). Mindestens 15 Sonntage im Jahr müssen beschäftigungsfrei sein (§ 11 ArbZG). Ein Ersatzruhetag für Sonntagsarbeit muss innerhalb von 2 Wochen gewährt werden. Bei der Beschäftigung an Wochenfeiertagen ist ein Ersatzruhetag innerhalb von 8 Wochen zu gewähren.
Zuschläge für Nacht‑, Wochenend- und Feiertagsdienste sind rechtlich nicht verpflichtend.
Arbeitszeiterfassung
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die über 8 Stunden hinausgehende (!) Arbeitszeit (Sprechstundenzeiten und Bereitschaftszeiten) aufzuzeichnen, er kann diese Pflicht an den AN deligieren (§ 16 Abs. 2 ArbZG). Für die Erfassung der Arbeitszeit unterhalb der “werktäglichen Arbeitszeit” gibt es keine Verpflichtung (§ 3 Abs. 1 ArbzG). Die Art der Arbeitszeiterfassung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben.
Folgen von Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz
Verstöße gegen die Pflichten aus dem ArbZG stellen Ordnungswidrigkeiten dar und werden gemäß § 22 Abs. 2 ArbZG mit einer Geldbuße bis zu 15.000,-€ geahndet. Beharrliche Verstöße stellen einen Straftatbestand dar und werden mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet (§ 23 ArbZG). Der AN darf gesetzeswidrige Mehrarbeit verweigern. Gesetzeswidrige arbeitsvertragliche Regelungen sind nichtig.
Mindestlohngesetz
Der Mindestlohn gilt für alle Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse. Ausnahmen stellen Azubis (zur TFA) dar, Kinder und Jugendliche unter 18 ohne Berufsausbildung, Praktikanten im Pflichtpraktikum (Schule, Ausbildung, Studium). Für Praktika über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten gilt u.U. das Mindestlohngesetz.
Beschäftigungsverhältnisse mit approbierten Tierärzten, die als “Hospitanz”, “Internship” oder als Praktikum bezeichnet werden, sind seit dem 01.01.2015 (Einführung des MiLoG) daher nicht mehr möglich.
Der Mindestlohn beträgt seit dem 01.10.2022 12,00 € pro Stunde. Der gesetzliche Mindestlohn kann nicht vertraglich ausgeschlossen werden, anderslautende Vereinbarungen sind unwirksam. Ein Verzicht durch den AN ist nach § 3 MiLoG ausgeschlossen.
In diesem Zusammenhang wurde die die sogenannte Geringfügigkeitsgrenze, auf 520,00 € monatlich erhöht.
Ist im Rahmen eines Minijob-Beschäftigungsverhältnisses eine Vergütung von 520,00 € ausgemacht, ohne Festlegung der Stundenzahl, ergibt sich eine Grenze von 43,2 Std/Monat.
Sonderzahlungen (z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld) dürfen unter bestimmten Umständen auf den Mindestlohn angerechnet werden, wenn die Sonderzahlung als Entgelt für tatsächlich geleistete Arbeit gilt und ohne Vorbehalte gezahlt wird (so etwa bei 13. Gehalt, wenn es als solches bezeichnet und gezahlt wird); dann wird 1/12 der Jahressonderzahlung pro Kalendermonat auf den Mindestlohn angerechnet. Wenn die Sonderzahlung nicht regelmäßig als freiwillige Leistung erbracht wird, wird sie nicht auf den Mindestlohn angerechnet. Wird die Sonderzahlung mehrfach (ab dem dritten Mal) freiwillig regelmäßig gezahlt, entsteht aufgrund des Gewohnheitsrechts ein Anspruch auf diese Zahlung und diese wird auf den Mindestlohn angerechnet.
Der gesetzliche Mindestlohn ist für jede geleistete Arbeitsstunde zu zahlen, somit auch für vergütungspflichtige Bereitschaftsdienste, bei denen sich der AN auf Geheiß des AG an einem bestimmten Ort innerhalb /außerhalb des Arbeitsbereichs bereithalten muss. Der Mindestlohn wird daher erreicht, wenn bei Addition von “normaler” Arbeitszeit und Zeiten des Bereitschaftsdienstes die Stundenvergütung mind. 12,00 € beträgt.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 MiLoG sind Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit aufzuzeichnen. Diese Pflicht gilt nur für Beschäftigungsverhältnisse, die dem sog. Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetz unterfallen (hierzu zählen Beschäftigungen in Tierarztpraxen nicht!), sowie für alle Minijob-Arbeitsverhältnisse. Vor dem Grundsatz “Bereitschaftszeit = Arbeitszeit” sollten alle AG in Praxen und Kliniken die Arbeitszeiten von angestellten Tierärzten und TFA´s aufzeichnen.
Die Kontrolle erfolgt durch die Behörden der Zollverwaltung. Diese haben weitgehende Rechte (Betretungsrechte, Einsichtsrechte, Auskunftsrechte). Folgen von Verstößen können Bußgelder bis zu 500.000,- € sein. Im Einzelfall können Verstöße gegen das Mindestlohngesetz als Straftat geahndet werden.
Nachvertragliche Wettbewerbsklauseln
(= Konkurrenzschutzklauseln)
Nachvertragliche Wettbewerbsklauseln können wirksam vereinbart werden. Es gibt Beschränkungen:
- zeitliche Beschränkung: max. 2 Jahre
- örtliche/regionale Beschränkung: abhängig vom Einzelfall (Groß-/Kleintier, Fahrpraxis, Spezialisierung, Land/Stadt)
- sachliche Beschränkung: lediglich eine konkurrierende (praktizierende) Tätigkeit; nicht aber jede tierärztliche Tätigkeit
Die Vereinbarung muss zwingend schriftlich geschlossen werden. Es muss eine Karenzentschädigung vereinbart werden (§ 74 HGB). Diese beträgt mind. die Hälfte der der vom AN zuletzt bezogenen Bruttovergütung pro Monat des Verbots (bei zwei Jahren: 24 halbe Bruttogehälter), welche vom AG zu zahlen sind. Oft wird die Karenzentschädigung vom AG in den Verträgen gestrichen; damit wird das Verbot nichtig (keine Wirksamkeit!).
RA Benjamin Kranepuhl
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