38 von 168 — Wochenstunden nach 1. BaT-Tarifvertrag
Eine Woche hat 168 Stunden und davon laut 1. BaT-Tarifvertrag 38 Arbeitsstunden für eine/n Vollzeitbeschäftigte/n. Wie viele Stunden pro Woche arbeiten Tierärzt:innen eigentlich heutzutage? Als Selbständige, als Angestellte, welche Vorstellungen haben Arbeitnehmende, was erwarten Arbeitgebende?
Tiermedizin — ein Beruf im Wandel
Kaum ein Thema wird in der Branche so kontrovers diskutiert. Unterschiedlichste Ansichten existieren zwischen Praxisinhaber:innen und angestellten Tierärzt:innen, zwischen Frauen und Männern, zwischen Angehörigen verschiedener Generationen, zwischen Kolleg:innen mit geringfügiger Beschäftigung und solchen mit Vollzeitjob + 200 angesammelten Überstunden.
Der Wandel des Berufes in den letzten 30 Jahren von einer männerdominierten Branche mit > 60 Wochenarbeitsstunden für die Praxisinhabenden zum Frauenberuf mit einem Großteil in Teilzeit arbeitenden angestellten Kolleginnen war rasant. Die bisherige Statistik der Bundestierärztekammer bietet wenig Hilfestellung, da dort bislang keine Differenzierung nach Vollzeit bzw. Teilzeit/Teilzeitanteil vorgenommen wurde. So ist auch der Tierärztemangel in Zahlen schwer zu beziffern und eher ein relativer Mangel an fehlenden Arbeitsstunden bezogen auf ein Vollzeitäquivalent, denn ein absoluter Mangel.
Arbeitszeitverteilung in Deutschland
Im Unterschied zu anderen Ländern besteht in Deutschland eine Asymmetrie der Arbeit im Vergleich der Geschlechter. Während Männer in der Regel in Vollzeit und darüber hinaus arbeiten, sind Frauen häufig in Teilzeit oder geringfügig beschäftigt. Diese Tatsache wird begünstigt durch das Ehegattensplitting im deutschen Steuerrecht und bleibt durch die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen erhalten.
Der Gender Care Gap beträgt aktuell 44,3 Prozent. Das bedeutet, Frauen verwenden durchschnittlich täglich 44,3 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit als Männer. Umgerechnet sind das 79 Minuten Unterschied pro Tag. So verbringen Männer pro Woche knapp 21 Stunden und Frauen knapp 30 Stunden mit unbezahlter Sorgearbeit.
Wenig verwunderlich, dass in unserer Branche mit hohem Frauenanteil ein großer Anteil „Wochenarbeitsstunden“ nicht stattfinden, obwohl es sich um einen akademischen Beruf mit langem Studium und hoher Qualifizierung handelt.
Länge der Arbeitszeit
Im Jahr 2020 betrug die mittlere Arbeitszeit abhängig Vollzeitbeschäftigter in Deutschland exakt 40 Stunden. In der Tendenz lässt sich ein Trend zur Arbeitszeitverkürzung feststellen. In der Stahl- und Metallindustrie gibt es bereits seit 20 Jahren die 35-Stunden Woche, während diese aktuell von der Gewerkschaft der Lokführer GDL verhandelt wurde und bis 2029 schrittweise umgesetzt werden soll.
Die 35-Stunden-Woche mit Option zur Mehrarbeit ist für Ökonomen wie Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln zeitgemäß. Das Stichwort sei lebensphasenorientiertes Arbeiten. So gebe es Phasen, in denen man zum Beispiel Kinder großziehe und mehr Zeit zu Hause brauche. Und andere Phasen, in denen man beispielsweise ein Haus abbezahlen müsse und dafür mehr arbeiten kann und will. Demgegenüber sieht Christoph Althaus, Bundesgeschäftsführer der Mittelstandsgesellschaft, BVMW, Deutschland als Wachstumsschlusslicht in Europa. Seiner Ansicht nach braucht es statt Debatten über 4‑Tage- oder 35-Stunden-Wochen wieder Lust auf Leistung und auf Wettbewerb.
Eine Befragung von Verdi unter 210 000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aus dem Jahr 2019, ergab, wie wichtig es den Beschäftigten ist, die Wahl zu haben, sich für mehr freie Zeit oder für mehr Geld zu entscheiden. Eine solche Wahlfreiheit ist für 92 Prozent der Befragten von großer Bedeutung. Wenn sie die Wahl bereits hätten, würden 57 Prozent der Beschäftigten die tariflichen Gehaltssteigerungen tatsächlich zur Verkürzung ihrer Arbeitszeit eintauschen.
Wochenarbeitszeit im 1. BaT-Tarifvertrag
Was wurde vor dem Hintergrund dieser kontroversen Debatte im Tarifvertrag des BaT für angestellte Tierärzt:innen zu den Wochenstunden verhandelt?
Grundlage des Tarifvertrages ist eine 38-Stunden-Woche. Damit wird der anspruchsvollen Tätigkeit im TGZ Lichtenau Rechnung getragen. Ohnehin existieren dort verschiedenste Arbeitszeitmodelle und aufgrund des hohen Frauenanteils eher in Teilzeit als in Vollzeit. Gute Arbeitsbedingungen und ‑regelungen des Tarifvertrages sollen es den Mitarbeitenden leichter machen, auch in Vollzeit zu arbeiten. Entschließen sich Teilzeitkräfte aufzustocken, stehen sie der Praxis für den Einsatz länger zur Verfügung und erleichtern die Dienstplanung. Eine Schicht darf, abweichend vom Arbeitszeitgesetz, bis zu 12 Stunden, zuzüglich Pausen, dauern. Maximal vier Schichten in Folge sind möglich, womit allerdings schon eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden erreicht wäre. Dieses Modell führt dazu, dass die Frequenz der Einsätze sinkt, was auch von den angestellten Tierärzt:innen begrüßt wird.
Analog zum Ruf nach mehr Leistungsbereitschaft, werden Überstunden nach BaT-Tarifvertrag mit einem Zuschlag von 15% vergütet, ein Anreiz, wie ihn aktuell Christian Lindner von der FDP vorgeschlagen hat. Grundsätzlich sollte aber angestrebt werden, dass die Arbeit in der vorgesehenen Zeit erledigt werden kann, damit ausreichend Zeit für Privates und zur Erholung bleibt. Im Gegensatz zu immer noch existierenden Arbeitsverträgen in der Tiermedizin, in denen bereits eine gewisse Anzahl Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind und damit selbstverständlich vorausgesetzt werden und zu einer Verringerung des ausgehandelten Stundenlohns führen, wird nach BaT-Tarifvertrag jede Überstunde entlohnt und beendet diese überholte Praxis.
Signal für die Branche
Das wichtigste Signal des Tarifvertrages ist allerdings ein anderes. Es ist machbar!
Tierärzt:innen können pro Woche 38 Stunden in Vollzeit arbeiten. Nicht 50, nicht 60 oder eine im Arbeitsvertrag nicht näher definierte Anzahl mehr und auch nicht 40 Stunden bezahlt und weitere 20 Stunden unbezahlt darüber hinaus. Mit Unterstützung bei der Care Arbeit ist das auch für Frauen möglich, ein Ende der Teilzeitfalle.
Die dafür gezahlten Stundenlöhne sind attraktiv, steigen nach Qualifikation und Beschäftigungsdauer und verhindern, dass automatisch die Frau beruflich kürzer tritt, sobald sich ein Paar für Kinder entscheidet. Damit bleiben die Kolleg:innen im Beruf oder kehren nach der Familienphase gerne zurück und stehen als wertvolle, hoch qualifizierte Arbeitskräfte weiter zur Verfügung, um den Auftrag zur Gesunderhaltung und Versorgung der Tiere im regulären Dienst und im Notdienst sicherzustellen. In einem Beruf, der mittlerweile zu über 80 Prozent von Frauen ergriffen wird, essentiell zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Auftrags und zur Selbsterhaltung der Branche.
Tarifvertrag BaT — TGZ Lichtenau | |||
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Stufe | Berufsjahr | Monatsgehalt (brutto) | Stundenlohn (brutto) |
TÄ 1 (Approbation oder Berufserlaubnis) | |||
Stufe 1A | bis 1/2 | 3.710,00€ | 22,45€ |
Stufe 1B | ab 1/2 | 4.102,20€ | 24,83€ |
Stufe 2 | 2–3 | 4.558,00€ | 27,59€ |
Stufe 3 | 4–5 | 4.922,64€ | 29,79€ |
Stufe 4 | 6–8 | 5.378,44€ | 32,55€ |
Stufe 5 | Ab 9 | 5.834,24€ | 35,31€ |
TÄ 2 (mit Zusatzbezeichnung) | |||
Stufe 1 | 1 | 4.922,64€ | 29,79€ |
Stufe 2 | 2–3 | 5.378,44€ | 32,55€ |
Stufe 3 | 4–5 | 5.834,24€ | 35,31€ |
Stufe 4 | 6–8 | 6.290,04€ | 38,07€ |
Stufe 5 | Ab 9 | 6.563,52€ | 39,72€ |
TÄ 3 (mit Fachtierarzttitel, Diplomate Titel, Diplomates mit Berufserlaubnis) | |||
Stufe 1 | 1–3 | 6.198,88€ | 37,52€ |
Stufe 2 | 4–6 | 6.745,84€ | 40,83€ |
Stufe 3 | Ab 7 | 7.475,12€ | 45,24€ |
Kostenlose Informationsveranstaltung am 12.06.
Wir veranstalten am 12. Juni ab 19.30 Uhr das interaktive Webinar “Tarifvertrag — Verstehe ich da alles richtig?” und laden alle Interessierten herzlich ein, dabei zu sein. Der Vorstand, das Gremium Tarifvertrag des BaT und die Inhaberin des Tiergesundheitszentrums Lichtenau stehen für die Beantwortung aller Fragen zur Verfügung. Senden Sie uns gerne auch bereits im Vorfeld Fragen an info@bundangestelltertieraerzte.de zu.
Folgende Artikel zum Thema 1. Tarifvertrag des BaT sind bereits erschienen:
- Pressemitteilung
- Der erste Tarifvertrag in der Tiermedizin – was bedeutet das für mich?!
- Wie wird sich der 1. Tarifvertrag auf die Gehälter von angestellten Tierärzten auswirken?