Annas Weg – „Still weiterjammern oder aufstehen?!“
Beispielhaft seien hier die Erfahrungen einer Tierärztin wiedergegeben, die uns ihre Sicht der Dinge erläutert hat.
Der unbequeme Weg
Annas Weg war in vielerlei Hinsicht neu und eher selten zu finden. Neu und selten für unsere Branche, neu für die Menschen, die diesen Weg mitgegangen sind und für die, die sich gezwungenermaßen diesem Weg stellen mussten. Rückblickend ist sie stolz auf sich und auf ihren Mut, diesen Weg bis zu Ende gegangen zu sein und ihn nicht nur theoretisiert zu haben. Sie schaut morgens in den Spiegel mit dem sicheren Wissen, sich weder unter Wert verkauft, noch verbogen zu haben, noch den so einfachen und bequemen Weg des Stillhaltens gegangen zu sein.
Dieser Bericht soll einerseits den Kollegen und Kolleginnen Mut machen ihr arbeitsvertraglich zugesichertes Recht ggf. auch mit professioneller Hilfe geltend zu machen, andererseits ist er auch ein harscher Vorwurf an die „Stillhalter“, an die, die sich aus Bequemlichkeit oder Wohlstand nicht bewegen (müssen). An die, die statt aufzustehen lieber weiter im Stillen jammern und meckern. Jene machen denen, die ernsthaft von diesem Beruf leben möchten (und müssen) das Leben zur Hölle.
“Der Fisch stinkt vom Kopf her”
Und ja, für unsere Branche gilt leider ein niederschmetternder Spruch, dem wir uns alle stellen müssen: „Der Fisch stinkt vom Kopf her“. Ihre Kündigung reichte Anna aus unterschiedlichen Gründen ein. Eigentlich war es ein buntes Potpourri oben angeführter Verhandlungsversuche, welche allesamt pompös inszeniert zu 100% fehlgeschlagen waren. Nach über zwei Jahren Verschiebebahnhof war das Geld immer noch knapp am Monatsende, die Notdienstregelung wie gewohnt schlecht geplant und unterbezahlt und die fachliche Weiterentwicklung stagnierte ohne Aussicht auf Veränderung. Übrig von diesem Arbeitsverhältnis blieben eine Forderung ihrerseits zum Restgehalt, eine Abgeltung ausstehender Urlaubstage sowie die Erstellung eines Arbeitszeugnisses, an dessen Umsetzung sie sich im Gespräch, per Anruf, SMS, Brief etc. die Zähne ausgebissen hatte.
Arbeitsvertrag als gesetzliche Grundlage
Zu diesem Zeitpunkt war sie nicht rechtsschutzversichert. Das Arbeitsverhältnis war ihre erste Anstellung nach der Approbation und damals hatte sie sich keine Gedanken über die eventuellen Negativaspekte einer Anstellung gemacht. Sehr blauäugig, aber wahr. Nach Rücksprache mit Freunden und Familie erntete sie vor allem allgemeines Kopfschütteln über den wenig wertschätzenden Umgang ihres Arbeitgebers ihr gegenüber. Zudem konnten Freunde, die nicht den Weg in die Veterinärmedizin gewählt hatten, das angebliche Problem überhaupt nicht nachvollziehen.
Dafür gäbe es doch einen Arbeitsvertrag, die gesetzlichen Grundlagen und überhaupt, das Ganze sei doch nicht einmal diskussionswürdig.
Schlussendlich suchte Anna einen Anwalt auf und ließ sich dort zunächst beraten. Im Gespräch wurde schnell klar, dass ihren Forderungen rein rechtlich nichts im Wege stünde; es aber doch recht absurd sei, dass über gesetzlich klar geregelte Dinge juristischer Klärungsbedarf bestünde. Nach Absprache mit dem Juristen bereitete Anna folgend die Darstellung ihrer Sicht der Dinge so detailliert wie möglich schriftlich vor. Dabei waren eine möglichst präzise nachvollziehbare Dokumentation und Belegbarkeit geführter Gespräche, Absprachen und schriftlicher Abkommen wichtig für den weiteren Verlauf.
Arbeitsrechtklage
Je aussagekräftiger diese eigens geleistete Vorabarbeit ist, desto mehr Geld spart man durch die Verkürzung der juristischen Arbeitszeit am Fall. Dieses Vorgehen ist nach Absprache sicherlich zu empfehlen. Zunächst forderte Annas Anwalt nach Ausstellung einer Bevollmächtigung ihre Forderungen bei der gegnerischen Partei ein – außer dem Schriftverkehr zwischen beiden Parteien passierte nicht viel. Die anwaltlich gesetzte Frist zur Begleichung ihrer Forderungen verstrich. Demzufolge erfolgte die Verfassung einer Klageschrift und deren Einreichung. Auch hier wurde aus juristischer Sicht eine Formalie abgearbeitet. Anna führte dazu einige organisatorische Telefonate mit ihrem Anwalt. Ansonsten musste sie nicht tätig werden.
Verhandlung vor dem Arbeitsgericht
Zwangsläufig entstand aus der Klagesituation die Ladung zur offiziellen gerichtlichen Verhandlung mit Präsenzpflicht. Die Verhandlung fand am Arbeitsgericht des zuständigen Landkreises statt. Im Arbeitsgericht fanden an diesem Tag im Viertelstundentakt Verhandlungen statt – Anna war dort lediglich „eine unter vielen“. Ziemlich schnell merkte sie, dass das, was in ihr für schlaflose Nächte, Aufregung und ein flaues Gefühl im Magen gesorgt hatte, hier an der Tagesordnung leise, unaufgeregt und sachlich abgearbeitet wurde.
Während der Verhandlung übernahm Annas Anwalt die Kommunikation – die eigentliche Sachlage war bereits im Vorfeld durch die eingereichten Unterlagen hinreichend geklärt worden. So gab es nur wenige Nachfragen, die allesamt von Annas Anwalt beantwortet wurden. Anna selbst war lediglich anwesend, wurde aber persönlich nicht befragt. Zuschauerrolle in der ersten Reihe quasi. Die zu entscheidende Sachlage wurde anschließend vom Gericht vor beiden Parteien zusammengefasst. Es folgte das Angebot eines sogenannten Vergleichs (für den Fall, dass beide Parteien sich doch noch außergerichtlich einigen möchten). Durch die klare Sachlage kam für Annas Anwalt dieses Szenario nicht in Frage, weshalb dieses Angebot abgelehnt wurde.
Nun musste das Gericht eine richterliche Entscheidung über den Fall treffen. Beide Parteien wurden dazu wieder aus dem Gerichtssaal gebeten und mussten warten. Schlussendlich erfolgte nach einer halben Stunde Warterei kurz und knapp die Verkündung. Unter zwei Minuten, dann war die Entscheidung offiziell.
Gesetzlich geregelte Sachlage
In Annas Fall mussten Gehalt und Urlaub natürlich in voller Höhe unverzüglich ausgezahlt werden. Auch ein Zeugnis stand ihr zu. Zudem ließ es sich der Richter nicht nehmen, die Unnötigkeit und die Lächerlichkeit dieses Falles bei solch klar gesetzlich geregelten Sachlagen zu betonen und einen eventuellen Revisionsantrag seitens der Gegenpartei von Vornherein auszuschließen.
In diesem Moment fiel Anna ein Stein vom Herzen, weil ihr die Selbstverständlichkeit, mit der der Richter dieses Urteil verkündet hatte ihr in vollem Umfang die eigene verschobene Wahrnehmung und ihre unbegründete Ängstlichkeit aufzeigte. Während der ganzen Zeit vor und im Prozess hatte Anna Angst vor dem Wort „Gerichtsprozess“ gehabt; Angst vor unbequemen Fragen, vor der Konfrontation mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber, vor dem Gesamtprozedere, den Einschränkungen, den Kosten.
Falsche Loyalität
Sie hat aber vor allem unter den ehemaligen Kollegen gelitten, die sich aufgrund des von ihr gewählten Weges im Laufe der Zeit zunehmend von ihr abgewandt hatten. Die Darstellung der eigenen Loyalität zu ihrem ehemaligen Arbeitgeber aus Angst vor Repressalien war zu groß. Dabei waren es dieselben Kollegen, die sich auf den Wegen zum Schweine impfen so oft bei ihr telefonisch über gescheiterte Verhandlungen oder frustrierende Chefgespräche beklagt hatten, die ihr anfänglich sogar den Rücken stärkten und sie „endlich mal“ zur Gegenwehr aufforderten (nicht zuletzt auch in ihrem Namen).
Anna hat von ihrem eingeforderten Lohn den Anwalt bezahlt und anschließend eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen. Angesichts ihres noch bevorstehenden Arbeitslebens waren für sie weitere Auseinandersetzungen mit Arbeitgebern, Vermietern oder in privaten Angelegenheiten nicht ausgeschlossen und die Aussicht auf Deckung der Anwaltskosten erleichterten ihr den Entschluss, sich auch zukünftig zumindest juristisch sorgenfrei beraten lassen zu können.
Fazit
Anna ist auf ihrem Weg klar geworden, dass die eigentlichen Steine auf diesem Weg weder ihre gestellten Forderungen, noch das anwaltliche Prozedere, noch die eigentliche gerichtliche Verhandlung waren. Im Gegenteil: die Lächerlichkeit ihres für die Richter so sonnenklaren Falles beschämen sie beinahe und führen das ganze Vorgehen aus Sicht des Gerichts ad absurdum. Nur leider ist es das in der Realität bei Weitem nicht: was in anderen Branchen noch nicht einmal ansatzweise diskussionswürdig wäre (weil jeder geschulte Personaler um die aussichtslosen Konsequenzen wüsste), muss in der Veterinärmedizin weiterhin mit juristischer Hilfe von Einzelpersonen mühevoll durchgesetzt werden.
Die eigentlichen Steine auf diesem Weg waren die Uneinsichtigkeit ihres ehemaligen Arbeitgebers, dessen Hinwegsetzen über klar im Arbeitsvertrag bzw. gesetzlich geregelte Dinge sowie der emotionale Rückzug ihrer vormals so verbundenen Kollegen aufgrund von persönlicher Schwäche und Pseudoloyalität. “Der Fisch stinkt vom Kopf her”, wir sollten alle darüber nachdenken.
Um Kolleginnen wie Anna mehr Sicherheit zu bieten, wird der BaT in Kürze eine sehr vergünstige Rechtsschutzversicherung in Kooperation mit der TVD Finanz anbieten.
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