Arbeitgeberbewertungen – eine Chance für beide Seiten
Im Dschungel der Stellenangebote
Die Suche nach einer Stelle gestaltet sich in der Tiermedizin für gewöhnlich nicht besonders schwierig. Angebote gibt es zur Genüge! Tierärztinnen und Tierärzte werden überall händeringend gesucht.
Die Schwierigkeit besteht eher darin, die richtige Stelle zu finden. Ein Probearbeiten, vor allem über mehrere Tage, sollte eigentlich einen realistischen Eindruck verschaffen. Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen, dass man sich hier sehr täuschen kann oder getäuscht wird.
Drum prüfe, wer sich bindet…
In einer Tierklinik in Franken flüsterte mir schon am ersten Tag meines Probearbeitens ein dort angestellter Tierarzt zu, ich solle lieber fliehen, solange ich noch könne. Alles klar. Also auf zum nächsten Vorstellungsgespräch, diesmal in Thüringen. Dort gab es keine versteckten Warnungen, dem Anschein nach wirkten alle ganz zufrieden. Die Überraschung kam dann schon am dritten Arbeitstag, als der Chef seinen ersten cholerischen Wutanfall hatte. Dass es dort keine gute Arbeitsatmosphäre geben würde, war mir dann schnell klar.
Über den Tellerrand schauen
„Hätte ich das nur vorher gewusst,…“ – dachte ich und erzählte die Geschichte einer Freundin. Warum ich nicht vorher bei kununu geschaut hätte? Gibt es das überhaupt in der Tiermedizin? Gute Frage.
Wer oder was ist kununu? Eine Arbeitgeberbewertungsplattform. Gibt es so etwas in unserer Branche? Man kann sagen — nicht wirklich. Welchen Nutzen hätte das und wie wäre die Resonanz?
Ich möchte hier einen Überblick der verschiedenen Möglichkeiten der Arbeitgeberbewertung geben und Anreize schaffen, diese auch in der Tiermedizin umzusetzen Denn Vorteile gibt es genauso für Arbeitnehmer*innen wie auch Arbeitgeber*innen!
Kununu und Glassdoor
Eine sehr direkte Art der Arbeitgeberbewertung sind berufsübergreifende Plattformen wie „kununu“ und „Glassdoor“, um die zwei größten zu nennen. Das Prinzip ist einfach. Man registriert sich und kann dann eine*n Arbeitgeber*in bewerten. Die Anonymität wird versichert und ein Bewertungsbogen vorgegeben. Man kann einen bis fünf Sterne für die Unternehmenskultur (z.B. Arbeitsatmosphäre, Kommunikation, …), Vielfalt (z.B. Gleichberechtigung, Umgang mit älteren Kolleg*innen), Arbeitsumgebung und Karriere & Gehalt abgeben. Danach stehen einem auch Freitextantwortmöglichkeiten zu Themen wie Verbesserungsvorschläge oder gutes bzw. schlechtes Feedback, zur Verfügung. Die Schlüsselfrage „Würdest Du diese Stelle einer Freundin bzw. einem Freund empfehlen?“ schließt das Ganze ab.
Auf „kununu“ gibt es tatsächlich schon einige Bewertungen aus der Tiermedizin. Allerdings stellen sich besonders für Mitarbeiter kleinerer Praxen einige Fragen.
Problem Anonymität
Wie anonym kann jemand in einer Praxis mit zwei Angestellten die eigene Chefin oder den eigenen Chef bewerten? Welchen Sinn hat das Ganze? Werden die Arbeitgeber*innen die Bewertungen überhaupt lesen? Welche Schlüsse ziehen sie und welche Konsequenzen hätte das für die Angestellten?
Sicher, in einer kleineren Praxis kann es recht offensichtlich sein, wer da die Bewertung abgegeben hat. Bewertungsportale, wie die oben genannten, richten sich eher an größere Praxen bzw. Kliniken. Oder aber an kleinere Praxen, die einen hohen Angestelltenwechsel haben. Das hat oft Gründe und kann zu negativen Bewertungen, die erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegeben werden, führen.
Chance für Arbeitgeber
Sinnvoll wird das nur, wenn Arbeitnehmer*innen seriöse Bewertungen schreiben, die von Arbeitgeber*innen idealerweise auch als Chance wahrgenommen werden. Praxen und Kliniken an Standorten, zu denen sich normalerweise der Nachwuchs nicht unbedingt hingezogen fühlt, könnten von positiven Bewertungen profitieren. Denn spätestens nach einer schlechten Erfahrung, weiß jede*r, wie viel gute Arbeitgeber*innen wert sind und wie viel schöner es ist, in einer freundlichen Atmosphäre zu arbeiten. Da lohnt sich auch ein Umzug!
eNPS – ein Tool zur Bewertung der Zufriedenheit
Eine verkürzte Variante der Bewertung durch Arbeitnehmer*innen stellt der eNPS da. Das steht für „Employee Net Promoter Score“ und basiert auf der oben schon erwähnten Frage.
„Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Ihren Arbeitgeber einem Freund oder Bekannten empfehlen?“
Basierend auf einer Skala von 0–10 Punkten, die anonym abgegeben werden, wird dann der Score ausgerechnet. Er bietet einen schnellen, kurzen Überblick und ist relativ einfach umzusetzen. Um ein interpretierbares Ergebnis zu bekommen, braucht man jedoch eine größere Anzahl von Arbeitnehmer*innen, die teilnehmen. Also doch eher etwas für größere Fachzentren und Kliniken. Aber der Score bietet einen sehr guten Überblick, wie die Stimmung des Teams ist und vor allem kann sich das Ergebnis jederzeit verbessern, wenn die Mitarbeiter*innen zufriedener werden. Dies kann nur durch eine gute Kommunikation geschehen, bei der Arbeitgeber*innen, wie Arbeitnehmer*innen ein offenes Ohr für die Belange des Gegenübers zeigen.
Externe Bewertungen und Siegel
Zu guter Letzt gibt es in anderen Branchen Wettbewerbe und Auszeichnungen wie „Top Job“ oder „Great Place To Work“.
Arbeitgeber*innen melden sich an, die Mitarbeiter*innen werden befragt und es wird ein ausführlicher Einblick in die Mitarbeiterführung des Betriebes gegeben. Dafür bekommt man eine komplette Analyse des Personalwesens und, falls man die Kriterien erfüllt, eine Auszeichnung.
Es wäre grandios, wenn Arbeitgeber*innen der Tiermedizin sich dafür offen zeigen würden, denn prinzipiell hätte das nur Vorteile. Auch wenn es etwas Aufwand mit sich bringt.
Ein Zukunftsausblick in diese Richtung wären verschiedene Arten von „Siegeln“, die zum Beispiel faire, geprüfte Arbeitsverträge garantieren. Es stellt sich dabei die Frage, wie aufgeschlossen Arbeitgeber*innen dafür sein werden, ihre Verträge offen zu legen. Aber wer nichts zu verbergen hat, müsste damit ja eigentlich kein Problem haben.
Fazit
In anderen Branchen gibt es schon viele Bewertungsmöglichkeiten, die sich in der Tiermedizin bisher aber noch nicht wirklich durchgesetzt haben. Warum ist das Ganze also so wichtig?
Die Suche nach einer neuen Stelle bringt sehr viele Umstände mit sich. Meistens einen Umzug und den damit verbundenen finanziellen und zeitlichen Aufwand. Vielleicht lässt man Freund*innen und Familie zurück. Man macht sich Hoffnungen und setzt sich Ziele für den neuen Job. Plant eine Weiterbildung zu machen und vieles mehr.
Wenn sich dann die Stelle als Enttäuschung herausstellt, ist der Kummer groß.
Um genau solche Situationen zu verhindern, ist es von großer Bedeutung, auf Bewertungsportale vertrauen zu können. Man hat konkrete Anhaltspunkte und kann sich mit diesem Insiderwissen im Hinterkopf einen viel besseren Eindruck bei einem Probearbeiten verschaffen.
Für Arbeitgeber*innen bietet sich die große Chance, offene Stellen leichter zu besetzen, sofern sie gute Bewertungen oder Auszeichnungen vorweisen können. Es ist kein Geheimnis, dass die Arbeitsbedingungen oft noch unbefriedigend sind, egal wie viel Mühe man sich mit seiner Stellenausschreibung macht, egal wie toll und fair das dort alles klingt.
Nichts kann eine echte, positive Bewertung durch die eigenen Angestellten überbieten.
Der BaT setzt sich ein
Unser Ziel als BaT ist es, uns gemeinsam mit Arbeitgeber*innen und Jobportalen für die Etablierung von verschiedenen Bewertungsformaten einzusetzen.
Gute Chefinnen und Chefs sind kritikfähig, offen für Neuerungen und sehen Chancen in solchen Bewertungen.
Gute Arbeitnehmer*innen werden korrekte, realistische Bewertungen abgeben.
Denn schlussendlich wollen wir alle die Tiermedizin voranbringen, ein gutes Arbeitsverhältnis und faire Bedingungen haben und uns gemeinsam für unsere Patienten einsetzen – oder?
Maike Müller für den BaT,
Mitglied im Gremium Berufspolitik