Meine Auswanderung als Tierärztin in die USA
Die USA sind seit jeher ein beliebtes Ziel für viele deutsche Auswandernde. Großartige Städte wie New York oder San Francisco, gleichzeitig unendliche Weite und mehr Platz, um sich zu entfalten als in Deutschland, veranlassen jährlich mehrere tausende Deutsche in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten auszuwandern. Eine junge Tierärztin aus Deutschland hat sich der Herausforderung gestellt und berichtet uns in diesem Artikel von ihren Erfahrungen.
Erste Schritte: Erhalt der Greencard
Auch mich hat es nun hierher verschlagen. Vor etwas mehr als vier Jahren lernte ich meinen heutigen Ehemann, einen US-Amerikaner und Tierarzt, kennen und schnell stand fest, dass wir gemeinsam in den Staaten leben möchten. Nun gab es mehrere Hürden zu überwinden, um diesen Plan in die Wirklichkeit umzusetzen. Da ich deutsche Staatsbürgerin bin, musste ich zuerst ein Visum für die dauerhafte Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung beantragen, um überhaupt langfristig in den USA bleiben und arbeiten zu dürfen. Um ein Visum für eine ‚permanent residency‘, die sogenannte Greencard, beantragen zu dürfen, gibt es mehrere Routen. Die folgende Auflistung ist sicherlich nicht vollständig, aber gibt einen guten Überblick über die meiner Meinung und Erfahrung nach am häufigsten genutzten Wege zur Greencard.
Arbeitgebenden-Sponsoring
Es gibt die Möglichkeit sich über einen amerikanischen Arbeitgebenden sponsoren zu lassen. Dies ist als Tierarzt bzw. Tierärztin durchaus möglich, wenn man für einen größeren Konzern arbeiten möchte, wie z.B. in der Futtermittel- oder Pharmaindustrie. Als praktizierender Tierarzt bzw. praktizierende Tierärztin ist es grundsätzlich auch möglich für einen Konzern wie Banfield, der viele Praxen unterhält (vergleichbar mit z.B. Anicura) ein solches Visum zu erhalten. Hierbei kommt es aber stark auf die Motivation und Bereitschaft der Arbeitgebenden an. Dieser Prozess kostet diese nämlich circa 10.000 US-Dollar an Gebühren, und zusätzlich muss bewiesen werden, dass der/die ausländische Angestellte aus irgendeinem Grund eine Stelle besetzt, die nicht von einem Amerikaner/ einer Amerikanerin besetzt werden könnte. Dies wird häufig durch spezielle Kenntnisse oder Fähigkeiten, die aktuell auf dem Arbeitsmarkt in der Zielregion nicht zur Verfügung stehen, begründet.
Investmentvorhaben
Eine andere Möglichkeit ist es die Greencard als sogenannter Investor/ sogenannte Investorin zu erhalten. Dies beinhaltet, dass man mit dem konkreten Vorhaben ein Unternehmen in den USA zu eröffnen auswandert. Zur Beantragung muss dann bereits ein Businessplan mit Finanzierung vorgelegt werden. Wichtig ist dabei, dass man plant neue Arbeitsplätze für Amerikaner und Amerikanerinnen zu schaffen und die lokale Wirtschaft stärkt. Daher kommt es unter anderem stark darauf an, wohin es genau in den USA gehen soll und wie die Infrastruktur und tiermedizinische Versorgung in der Region bereits aufgestellt ist.
Lotterieteilnahme
Eine weitere Option ist die Teilnahme an der Diversity-Greencard-Lotterie. Für Deutsche liegt die Chance aktuell bei circa 1% dabei erfolgreich zu sein. Ein ‚Gewinn‘ bedeutet allerdings nicht, dass man direkt eine Greencard zugeschickt bekommt, sondern erlaubt es einem lediglich, sich auf diese zu bewerben. Man muss also trotzdem noch den normalen Prozess durchlaufen, man braucht lediglich keinen anderen Grund (wie Job, Ehepartner/ Ehepartnerin, Investition, etc.) mehr.
Greencard durch Hochzeit
Im Jahr 2020 wurden viele der Visumsanträge der oben genannten Kategorien aufgrund der Wirtschaftseinbrüche durch die Corona-Pandemie vorläufig ausgesetzt und nicht vergeben. Daher haben mein Partner und ich entschieden, den Weg der Greencard durch eine Hochzeit zu wählen, da diese Visa nicht von dem Bann betroffen waren. Die sogenannte Ehegatten- (Spousal-) Greencard erhält man, wenn man einen US-Amerikaner bzw. eine US-Amerikanerin heiratet. Normalerweise ist dieser Prozess auch einer der schnellsten und einfachsten, mit circa vier bis sieben Monaten Bearbeitungszeit. Für uns dauerte der Prozess bis zur Vergabe des Verlobten-Visum dank Corona-Pandemie circa 18 Monate. Seit Anfang dieses Jahrs bin ich nun in den USA und warte jetzt auf meine Einladung zum Greencard-Interview. Bis zur eigentlichen Greencard-Vergabe wird es wahrscheinlich noch ein weiteres Jahr dauern.
Dies ist nur ein sehr kurzer Einblick in die Möglichkeiten und Abläufe des Greencard-Prozesses. Der Ablauf ist sehr komplex und in jedem Fall auch individuell unterschiedlich, da es sehr viele verschiedene Faktoren gibt, die beachtet werden müssen. Falls ein BaT-Mitglied Fragen zu dem Prozess und meinen Erfahrungen hat, bin ich gerne bereit diese zu beantworten.
Approbationsanerkennung
Nach der Frage der allgemeinen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, war meine nächste Hürde die Anerkennung der deutschen tierärztlichen Approbation. Die amerikanische Tierärzte-Vereinigung (AVMA, american veterinary medical association) erkennt den deutschen Abschluss nicht ohne Weiteres an. In Europa sind nur wenige Hochschulen von der AVMA akkreditiert, darunter sind u.a. die Universitäten in Utrecht, Lyon, London, und Edinborough. Die vollständige Liste habe ich im Anhang verlinkt. Alle deutschen Hochschulen befinden sich auf der Liste der Hochschulen, mit deren Abschluss man eine Anerkennungsprüfung in den USA benötigt. Das heißt, man muss nicht das gesamte Studium wiederholen, sondern ein vierteiliges Anerkennungsverfahren namens ECVFG (Educational Commission for Foreign Veterinary Graduates) durchlaufen.
Vierteiliges Anerkennungsverfahren
Als Erstes müssen alle deutschen Studiendokumente und Zeugnisse offiziell übersetzt werden und von der amerikanischen Behörde anerkannt werden.
Der zweite Teil ist ein englisches Sprachzertifikat wie es häufig im akademischen Bereich gefordert wird. TOEFL und IELTS sind die beiden bekanntesten Optionen und können beide in Testcentern in Deutschland absolviert werden.
Der dritte Teil ist ein Single-Choice-Theorietest namens BCSE (Basic and Clinical Science Exam) über grundlegende Kenntnisse der Tiermedizin. Auch dieser Test kann in deutschen Computertestcentren absolviert werden. Mich hat bei diesem Test überrascht, wieviel Wissen aus den Semestern vor dem Physikum abgefragt wurde. Ich hatte mich mit einer speziellen Lernsoftware namens ZUKU BSCE auf diesen Test vorbereitet und dadurch glücklicherweise auch im ersten Anlauf bestanden.
Der vierte und mit Abstand anspruchsvollste Teil ist der praktische CPE- (Clinical Proficiency Exam) Test. Dieser kann nur an zwei Orten in den USA, Las Vegas und Starkville in Mississippi, absolviert werden. An drei aufeinanderfolgenden Tagen werden in sieben Teilprüfungen die Grundlagen des gesamten Studiums abgeprüft.
Clinical Proficiency Exam
Dabei muss man in der Chirurgieprüfung eine Hündin kastrieren und für die Anästhesieprüfung die Narkose für dieselbe OP eines anderen Prüflings überwachen. Für die Prüfungen im Bereich Pferd, Rind (Food Animal) und Kleintier muss man je einen Patienten untersuchen, weiterführende Tests beantragen und auswerten, eine Differentialdiagnosenliste erstellen und einen Therapieplan vorschlagen. Für die Prüfung im Bereich Radiologie muss man einen Hund dem Vorbericht entsprechend lagern und röntgen und die korrekten Bilder zur Diagnosestellung produzieren. Abschließend ist eine Prüfung im Bereich Pathologie, bei der man einen Tierkadaver komplett pathologisch-anatomisch sezieren und einen Bericht darüber anfertigen muss.
Diese Prüfung liegt noch vor mir, daher kann ich noch keinen Erfahrungsbericht darüber abgeben. Mir erscheint diese Prüfung von ihren Anforderungen mindestens gleichwertig mit den deutschen Staatsexamensprüfungen in den klinischen Fächern. In meinen Augen ist die Tatsache, dass definitiv die Tierarten Rind, Pferd UND Kleintier alle innerhalb von drei Tagen und nicht über ein gesamtes Semester verteilt geprüft werden eine deutliche Steigerung der Anforderung gegenüber der deutschen Abschlussprüfung. Dazu kommt, dass ich persönlich direkt nach dem Studium nicht in der Lage gewesen wäre selbstständig eine Hündin zu kastrieren oder diese OP als Anästhesistin zu überwachen. Die stärkere ‚hands-on‘-Ausbildung an den amerikanischen Unis wird hier abgeprüft und muss von deutschen Absolventen durch eigene Initiative erarbeitet werden.
Nach bestandener Anerkennungsprüfung
Nach erfolgreichem Absolvieren all dieser Schritte, hat man die Anerkennungsprüfung des ECFVG bestanden und muss für eine Approbation in den USA noch das schriftliche Staatsexamen, NAVLE (North American Veterinary Licensing Examination), wie alle amerikanischen Studenten auch, absolvieren. Das NAVLE kann man entweder in Deutschland oder in den USA in einem Computertestzentrum ablegen. Es ist möglich diese Prüfung nach erfolgreichem Ablegen der ersten drei Teile der ECFVG Anerkennung abzulegen. Dies habe ich letztes Jahr bereits getan und diesen Schritt damit vorgezogen. Das NAVLE, ist ein single-choice Test mit 360 Fragen über alle Bereiche der Tiermedizin.
Im Anschluss an das NAVLE muss man für eine vollständige Lizenz dann noch die jeweilige Staatslizenz erwerben. Dafür ist in einigen Staaten auch eine Prüfung notwendig. Diese ist aber immer schriftlich und hauptsächlich auf staatsspezifische Regulationen und Gesetze bezogen.
Fazit
Es sind also meiner Meinung nach viele Hürden und anspruchsvolle Prüfungen zu bewältigen, bevor man in den USA leben, arbeiten und praktizieren darf. Eine Auswanderung in die USA ist damit deutlich aufwendiger als in ein anderes Land, in dem z.B. die deutsche Approbation anerkannt wird und/oder der Aufenthaltsprozess einfacher ist. Trotz all dem sehe ich auch die positiven Seiten meiner Entscheidung. In den USA verdienen Tierärzte durchschnittlich fast 100.000$ jährlich, im Vergleich zu deutschen Tierärzten ist der Verdienst somit deutlich höher. Zwar sind die Lebenshaltungskosten je nach Staat auch deutlich höher als in Deutschland, jedoch bleibt unterm Strich trotzdem mehr vom Lohn übrig.
Gerne stehe ich BaT-Mitgliedern, die Fragen zu dem Greencard-Prozess oder der Anerkennungsprüfung haben, per E‑Mail zur Verfügung. Eine Kontaktaufnahme ist über die BaT-Infoadresse möglich.
Wir bedanken uns sehr herzlich für diesen aufschlussreichen Einblick in die Prozesse einer Auswanderung in die USA und wünschen der Autorin alles Gute.
Quellen und Links:
AVMA Akkreditierte Hochschulen