Berufspolitik zum Nikolaus: Sind wir nicht alle ein bisschen Knecht (Ruprecht)? – bvvd meets BaT
bvvd meets BaT — Infoabend für Studenten am 06.12.2017 an der TiHo Hannover zum Thema: Arbeitsbedingungen in der Tiermedizin und wie wir damit umgehen
Am Nikolaustag fanden sich einige Studenten im Alten Pylorus zusammen, um sich mit der Lage als Arbeitnehmer in der Tierarztpraxis zu beschäftigen. Mit den notwendigen Infos abgerundet wurde das Ganze von zwei Vertreterinnen des Bunds angestellter Tierärzte e.V. (Dr. Elisabeth Brandebusemeyer und Dr. Lilith Steingräber), der sich als reiner Arbeitnehmerverband im Jahr 2016 gegründet hat.
Bei Glühwein, Bier und Weihnachtsschokolade saß man in gemütlicher Runde zusammen, während zunächst Sandra Intemann vom bvvd ein kleines Vorwort in die Runde richtete: Warum eigentlich diese Veranstaltung? Diese Frage haben sich im Vorfeld offensichtlich viele Studierende gestellt, was die überschaubare Teilnehmerzahl erklären könnte.
Lebensunterhalt
Die Dringlichkeit des Themas wurde dann aber schnell klar: Die Dissertation von Johanna Kersebohm am Institut für Biometrie in Berlin lieferte dazu erschreckende Zahlen: 13– 14€ Brutto-Stundenlohn bei der Tierärzteschaft und 50 Wochenarbeitsstunden im Schnitt. Da bleibt nicht viel übrig zum Leben und die Rentenkasse wird von solchen Löhnen auch nicht gefüllt. Darauf kamen direkt Reaktionen von den Studierenden “Wenn ich mir das so anschaue, sollte man mindestens einen Nebenverdienst auf dem Schlachthof nicht ganz ausschließen.” Das sei auch für viele niedergelassene Tierärzte ein Weg, den sicheren Lebensunterhalt zu bestreiten, bestätigten die Referenten.
“Wenn man als fertige Tierärztin nebenher wieder kellnern muss – das ist echt bitter” solche hautnahen Infos aus dem Alltag der Berufsanfänger gab es für die Anwesenden zu hören. Anschließend stellten sich die Referenten den kritischen Fragen der Studierenden. Die Empfehlung des BaT für das Bruttoeinstiegsgehalt (3500€/Monat) liegt rund 1000€ höher als die des bpt (2400€/Monat) – da hakte direkt ein Student nach: “Wie soll das gehen?”
Der BaT sensibilisierte daraufhin die Studenten dafür, dass sie auch als Anfänger genug erwirtschaften könnten, um einen solchen Betrag zu verdienen. Allein schon dadurch, dass erfahrenen Kollegen durch das Ausüben einfacher Tätigkeiten wie Impfen der Rücken freigehalten werden könne. Schließlich arbeitet man als Team und auch diese Arbeit muss gemacht werden. Bei guter Einarbeitung seien dann auch die komplizierteren Tätigkeiten schnell von den jungen Angestellten zu übernehmen.
Gehaltsempfehlung
Die Gehaltsempfehlung für Berufseinsteiger des bpt steht dazu krass im Gegensatz: Sie ist daran gekoppelt, dass der Angestellte im ersten halben Jahr eine Liste von ¨Skills¨ erwerben soll. Quasi als müsste man nach dem Studium erst wieder bei null anfangen. ¨Das wäre ja ein Armutszeugnis für unsere Hochschule, wenn man nach elf Semestern und diversen abgelegten Prüfungen auf dem gleichen Stand wäre wie nach dem Abitur“, kam ein Einwurf aus dem Auditorium.
Das praktische Jahr
Für das praktische Jahr sollte man sich vorher einmal die Liste der ¨Day One Skills¨ des bpt durchlesen. Diese praktischen Fähigkeiten sollte man möglichst nach Abschluss des Studiums beherrschen. Als Beispiel seien genannt die allgemeinen und speziellen Untersuchungsgänge oder verschiedene diagnostische Verfahren. Im PJ sollte man schon darauf achten, dass man die Möglichkeit bekommt, diese Dinge zu erlernen. Das könnte den Berufseinstieg dann deutlich erleichtern und für selbstbewussteres Auftreten bei der ersten Bewerbung sorgen.
Bewerbung
Auch auf einige Aspekte der Bewerbung kam die Runde zu sprechen. Vor der Bewerbung sollte klar sein, wie viel Gehalt man fordern kann. ¨Ihr sollt nicht unverschämt werden, aber es wird vom Arbeitgeber auch erwartet, dass ihr euch in solchen Fragen auskennt.¨ Ein Angestellter, der sich für BWL interessiert, kann für den Betrieb Tierarztpraxis schließlich nur wertvoller sein als jemand, der bei dem Begriff Ökonomie an Birkenstockträger denkt. Auch die Frage nach dem Umsatz der Praxis sollte man stellen. ¨Wenn die Praxis nicht genug abwirft, um euch anständig zu bezahlen, dann braucht ihr auch nicht auf ein faires Gehalt hoffen¨ wurde zu bedenken gegeben.
Vorstellung der Arbeit des Vereins
Sehr spannend war auch die Vorstellung der Arbeit des Vereins Bund angestellter Tierärzte e.V.. Das Ziel soll sein, zukünftig als Gewerkschaft aufzutreten. Dafür müssen aber vorerst Mitglieder akquiriert werden, da die Mitgliederzahl von derzeit gut 200 auf 2000 steigen muss, um als Gewerkschaft anerkannt zu werden. Es wurde betont, dass der BaT nicht als ¨Gegner¨ des langjährig bestehenden bpt zu verstehen ist. Für die angestellten Tierärzte habe sich aber in den letzten zehn Jahren nachweislich in Sachen Arbeitsbedingungen nicht viel getan, sodass die Gründung einer Gewerkschaft sinnvoll erschien. Die derzeitigen Entwicklungen zeigen auch, dass sich in dem Bereich dringend etwas tun muss. Junge Tierärzte wandern zum großen Teil kurz nach dem Berufseinstieg in die Industrie ab, nehmen ein neues Studium auf oder steigen gänzlich aus dem Arbeitsleben aus. Dies geschieht zum Teil, weil eine Familie gegründet wurde und der Partner signifikant mehr verdient. Des weiteren auch aus gesundheitlichen Gründen oder zum Teil ebenfalls aus Resignation. Daher erscheint es sinnvoll, dass jeder Einzelne sich für seine Rechte und faire Bedingungen einsetzt, anstatt als unfair empfundene Arbeitsbedingungen auszusitzen und irgendwann hinzuschmeißen.
Mangelware angestellte Tierärzte
Mittlerweile sind angestellte Tierärzte Mangelware. Nutztierpraxen suchen händeringend Verstärkung und Pferde- sowie Kleintierkliniken müssen ihren Klinikstatus aufgeben, weil sie nicht genügend Personal für Nachtdienste stellen können.
(Selbst-)Bewusstsein
Diese Situation ist der beste Ausgangspunkt für eine Trendwende der Arbeitsbedingungen. Dafür braucht es aber ein anderes (Selbst-)Bewusstsein besonders der jungen Generation. Darum ist eine solche, kritische Veranstaltung, die dazu führt, dass Studenten sich bewusstmachen, dass sie nicht machtlos sind und eine Veränderung möglich ist, so wichtig. Es bleibt zu hoffen, dass die Studentenschaft bereit ist, sich damit auseinander zu setzen, damit die Basis für die Trendwende in Zukunft geschaffen werden kann und diese positiven Entwicklungen nicht wirkungslos an uns vorbeigehen.
Wir freuen uns auf weitere gemeinsame Infoveranstaltungen von bvvd und BaT für Studenten an der TiHo Hannover.