Eintritt der Vetevo GmbH in den tierärztlichen Markt
Vor- und Nachteile für TierärztInnen, insbesondere für angestellte TierärztInnen in den teilnehmenden Praxen
Wer ist die Firma Vetevo?
Die Vetevo GmbH ist ein 2016 gegründetes und in Berlin ansässiges Unternehmen, das als Schnittstelle zwischen Tierbesitzern und Tierärzten fungiert. Die Mitarbeiter von Vetevo übernehmen dabei die telefonische Beratung vor und nach einer Behandlung, empfehlen Partner-Tierärzte in der Nähe der Kunden, vereinbaren den Termin und stellen die Rechnung. In einer App gibt es dazu eine digitale Patientenakte. Das Unternehmen möchte Menschen ansprechen, die den Kontakt über das Internet bzw. eine App bevorzugen, eine ausführliche telefonische Beratung wünschen und vor dem Gang zum Tierarzt eine Einschätzung der gesundheitlichen Situation wünschen. Dabei wird Vetevo von Google fälschlicherweise als „Tierarzt in Berlin“ bezeichnet.
Vorteile und Chancen
Vetevo versucht, diejenigen Tierbesitzer zu erreichen, die sich noch nicht zu einem Tierarztbesuch entschlossen haben. Über ein unverbindliches telefonisches Informationsgespräch werden Tierbesitzer ermutigt, medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dies könnte eine Nische erschließen, da der Gang ins Internet und der Austausch in Internetforen immer selbstverständlicher der erste Schritt jeder Informationsquelle wird.
Vetevo betont, dass die Preisgestaltung sich nach der GOT richtet und die Rechnungsstellung am Ende jeder Behandlung im Ermessen des Tierarztes liegt. Die Tierarztpraxis bleibt so in Ihrer Preisgestaltung unabhängig, hat aber die Chance, durch Vetevo einen neuen Kundenstamm zu gewinnen, der vorher nicht erreicht wurde.
Vorteil einer Zusammenarbeit mit Vetevo könnte möglicherweise auch eine Zeitersparnis bei der Behandlung durch geringeren Beratungsbedarf auf Seiten des Tierbesitzers sein. Dies darf selbstverständlich niemals die allgemeine Untersuchung des Patienten und das individuelle Beratungsgespräch durch den behandelnden Tierarzt ersetzen. Sollte sich aber bewahrheiten, dass Tierbesitzer besser informiert und ohne große Sorgen und Nöte in die Praxis kommen, könnte das langfristig einem zeitlich besser planbaren Ablauf in der Praxis zuträglich sein. Die digitale Patientenakte ist ebenfalls als Zugewinn zugunsten eines fortschrittlichen Patientenmanagements zu sehen und kann die Zusammenarbeit zwischen den Haustierärzten und Überweisungskliniken vereinfachen. Möglicherweise könnte auch die Regelung von Außenständen zukünftig übernommen werden; entsprechend bekannte Kunden würden dann nicht mehr vermittelt und ähnlich wie bei Verrechnungsstellen könnte die Abwicklung der Rechnungsstellung übernommen werden.
Direkte Vorteile für angestellte Tierärzte sind nicht sofort ersichtlich. Angestellte Tierärzte können aber bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes innerhalb Deutschlands oder dem Weg in die Selbstständigkeit davon profitieren, bei Vetevo bekannt zu sein und darum weiterhin empfohlen zu werden. Wünschenswert wäre eine noch intensivere Qualitätsprüfung der beteiligten Tierarztpraxen, die die Arbeitszeiten der Mitarbeiter in Einklang mit dem Arbeitszeitgesetz sowie eine angemessene Bezahlung der angestellten Tierärzte miteinschließt. Dies würde die Glaubwürdigkeit der von Vetevo zugesicherten hohen Arbeitsqualität erhöhen und käme nicht zuletzt auch dem Patienten zugute.
Nachteile und Risiken
Wie uns Frau Mareile Wölwer, Gründerin und Geschäftsführerin der Vetevo GmbH in einer schriftlichen Stellungnahme mitteilt, besteht das ca. 20köpfige, multidisziplinäre Team aus Mitarbeitern verschiedener Fachbereiche: Tiermedizin (Tierärzte, TFAs), IT, Marketing und BWL, das prozentuale Verhältnis liegt uns nicht vor. Frau Wölwer selbst ist in einem landwirtschaftlichen Umfeld aufgewachsen und studierte Management.
Der Service von Vetevo besteht in der Beratung und Betreuung von Tierbesitzern vor und nach einem Tierarztbesuch. Es ist dabei als sehr kritisch anzusehen, dass Leistungen wie telefonische Anamnese-Erhebung, Empfehlung bestimmter Behandlungs-Methoden und Anleitungen zur Verabreichung von Medikamenten durch fachfremde Mitarbeiter, sog. „Behandlungsexperten“ erfolgt. Die „Behandlungsexperten“ werden zwar laut Stellungnahme regelmäßig in einigen medizinischen Disziplinen geschult, durch wen diese Schulungen erfolgen wird jedoch nicht weiter ausgeführt. Die Anamnese-Erhebung und die Empfehlung einer bestimmten Behandlung ist in der Tierarztpraxis dem Tierarzt, der ein knapp 6jähriges Studium absolviert hat, vorbehalten. Auch tiermedizinische Fachangestellte dürfen Beratungen nur zu bestimmten Themengebieten, wie z.B. der Ernährung kranker Patienten durchführen.
Die durch Vetevo erfolgende Beratung der Patientenbesitzer birgt das Risiko, dass die Kunden mit einer vorgefertigten Meinung in die Tierarztpraxis kommen. Der Tiergesundheitsmarkt ist für Tierbesitzer schon seit dem Eintreten von Tierheilpraktikern unübersichtlich geworden. Durch selbst ernannte „Behandlungsexperten“ und die Aufschrift „Moderne Tiermedizin für Ihren Vierbeiner“ auf der Startseite der Vetevo-Website wird dem Tierbesitzer fachliche Expertise suggeriert, die wahrscheinlich so nicht vorhanden ist. Die Aufklärung durch einen Dritten kann nicht die vollständige Kommunikation mit dem Tierbesitzer ersetzen. Selbstverständlich muss der behandelnde Tierarzt nach wie vor und rechtskonform vor einer Behandlung den Patienten untersuchen, davon die weitere Behandlung abhängig machen und nach der Befunderhebung den Patientenbesitzer darüber aufklären. Es ist nicht möglich, als reiner Dienstleister für ein Unternehmen wie Vetevo lediglich einen Auftrag wie beispielsweise eine Kastration durchzuführen. Jeder Eingriff benötigt eine Indikation und ein individuelles Vorgehen, was beides niemals vollständig durch einen „Behandlungsexperten“ am Telefon beurteilt werden kann.
Vetevo betont, auf Qualität und nicht auf Preis zu setzen. Da der Kunde die Dienste von Vetevo und die Tierarztrechnung zu bezahlen hat, bleibt abzuwarten ob der Kunde mittelfristig dazu bereit ist. Kritisch muss im Auge behalten werden, dass durch Vetevo erstellte Kostenvoranschläge niemals zu einer Preisbindung des Tierarztes oder gar Preisdumping führen dürfen. Wichtig ist weiterhin, dass mögliche ökonomische Optimierungen nicht auf dem Rücken der angestellten Tierärzte der Partnerpraxen und ‑kliniken ausgeführt werden.
Vetevo betont, nachhaltig arbeiten zu wollen und wünscht sich v.a. die inhabergeführten Praxen als Partner. Durch das „Outsourcen“ von Beratungstätigkeiten wird aber die Beziehung der Kunden zu ihrem Haustierarzt, den man bei Sorgen und Problemen vertrauensvoll kontaktiert eher geschwächt als gestärkt.
Fazit
Nicht zuletzt könnten Unternehmen wie Vetevo zukünftig zu einem optimierten und modernen Ablauf in Tierarztpraxen beitragen. Wenn die Praxen dadurch, also durch die Konzentration auf das Kerngeschäft und beispielsweise durch „outsourcen“ einzelner Arbeitsschritte wirtschaftlicher arbeiten können, kann dies die Arbeitsbedingungen der angestellten Tierärzte sowie tiermedizinischen Fachangestellten verbessern und zu einem angemessenen Gehaltsgefüge führen.
Kritisch zu hinterfragen, aufmerksam zu verfolgen und öffentlich allen Tierbesitzern aufzuzeigen ist aber zu jeder Zeit die fachliche Ausbildung derer, die den Tierbesitzern am Telefon als “Behandlungsexperten“ einen Wegweiser durch die Tiergesundheit an die Hand geben und sich dadurch in eine Grauzone begeben, in der Tierärzten Kompetenzen streitig gemacht werden. Tierbesitzer sollten transparenter darüber informiert werden, wer über welche Kompetenzen zur Behandlung und Versorgung von Haustieren verfügt.
Im internen Mitgliederbereich gibt es die Stellungnahme von vetevo in voller Länge zum Nachlesen.
Unter folgendem Link kann sich zudem jeder einen eigenen Eindruck verschaffen.