Arbeitszeiten- Rechtliche Grundlagen
Arbeitszeiten, Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften — Was darf der Arbeitgeber (nicht) und was muss der Arbeitnehmer (nicht) machen?
Realität versus Arbeitszeitgesetz
Wie das Thema Arbeitszeit in den meisten Tierarztpraxen gehandhabt wird, müssen wir Ihnen sicher nicht groß erklären. Wöchentliche Stundenzahlen von mindestens 50 bis „open end“ sind keine Seltenheit, sondern für angestellte Tierärzte in der Regel bittere Realität. Die im Arbeitsvertrag festgehaltene Arbeitszeit fungiert demnach allenfalls als Platzhalter – zumindest bei denjenigen, die überhaupt einen schriftlichen Vertrag in der Hand haben. Wer das Argument „es war halt schon immer so“ nicht gelten lassen will, fragt sich also am Ende einer anstrengenden Woche mit Notdienst, Wochenendarbeit und allem Drum und Dran: Muss ich das eigentlich mitmachen? Gibt es denn nicht gesetzliche Vorschriften, die der Praxisinhaber einhalten muss? Die gibt es. Zum Schutz des Arbeitnehmers ist die höchst zulässige Arbeitszeit durch Normen beschränkt, die vornehmlich im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zu finden sind.
Die wichtigsten Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes lauten wie folgt:
- Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten, damit ergibt sich eine höchstzulässige wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden.
- Zulässig ist eine Verlängerung auf zehn Stunden pro Tag bei entsprechendem zeitlichem Ausgleich innerhalb von sechs Kalendermonaten bzw. 24 Wochen.
- Nach spätestens sechs Stunden ist eine Pause zu gewähren. Die Dauer der Pause oder Pausen muss mindestens 30 Minuten, je nach Dauer der Arbeitszeit bis zu 45 Minuten betragen.
- Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist eine Ruhezeit von grundsätzlich mindestens elf Stunden zu gewähren.
- Für Nacht- und Schichtarbeit gelten besondere Bestimmungen.
- Grundsätzlich besteht ein Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen, jedoch enthält das Arbeitszeitgesetz einen Ausnahmenkatalog mit Ausgleichsregelungen.
- Für werdende und stillende Mütter wird die Arbeitszeit durch das Mutterschutzgesetz beschränkt. Sie dürfen grundsätzlich nicht zwischen 20 und 6 Uhr und an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden. Ferner ist es dem Arbeitgeber generell untersagt, werdende und stillende Mütter zur Mehrarbeit zu verpflichten. Vertragliche Vereinbarungen oder einseitige Weisungen des Arbeitgebers, die den Arbeitnehmer zur Überschreitung der gesetzlich festgelegten Höchstarbeitszeit verpflichten sollen, sind nichtig. Verlangt der Arbeitgeber gesetzeswidrig Mehrarbeit, steht dem Arbeitnehmer neben dem Anspruch auf Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen auch ein sog. Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf seine Arbeitskraft zu. So zumindest die Theorie. Dass es nicht einfach ist, den Chef auf sein Fehlverhalten anzusprechen, wenn gesetzeswidrige Mehrarbeit in der Praxis an der Tagesordnung ist, liegt auf der Hand. Denn letztendlich schwingt immer ein Stück Angst mit, als unbequem zu gelten. Helfen kann vielleicht schon, konsequent zu dokumentieren, um dem Arbeitgeber den Gesetzesverstoß deutlich vor Augen zu führen und erst einmal das Bewusstsein zu schärfen. Eine Dokumentation schreibt schließlich auch das Arbeitszeitgesetz vor. Danach ist nämlich jeder Arbeitgeber verpflichtet, die über 48 Stunden hinausgehende Arbeitszeit zu dokumentieren. Doch welche Zeiten gelten überhaupt als Arbeitszeit und fließen in die Berechnung der Stundenzahl mit ein? Dass Anwesenheitszeiten während der Sprechstunde dazu gehören, ist klar. Schwieriger wird es, wenn Bereitschaftsdienst und/ oder Rufbereitschaft geleistet werden.
Hier ist zu differenzieren:
Bereitschaftsdienst
Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn der Arbeitnehmer sich außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufzuhalten hat, um bei Bedarf die volle Arbeitstätigkeit unverzüglich auszuüben. Seit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im Jahre 2000 und einer entsprechenden Änderung im Arbeitszeitgesetz, kann der Bereitschaftsdienst nicht mehr der Ruhezeit zugerechnet werden. Er gilt als Arbeitszeit und ist dementsprechend zu vergüten.
Rufbereitschaft
Die Rufbereitschaft verpflichtet den Arbeitnehmer, außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeiten auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Den Ort, an dem er sich dabei aufhält, kann er selbst bestimmen. Zeiten, an denen der Arbeitnehmer zur Rufbereitschaft verpflichtet ist, gelten als Freizeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Nur soweit im Rahmen der Rufbereitschaft Tätigkeiten anfallen, sind die dafür aufgewendeten Arbeitszeiten im Umfang ihrer tatsächlichen Dauer als Arbeitszeit zu bewerten.
Übrigens muss die Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst und/ oder zur Rufbereitschaft nicht ausdrücklich geregelt werden. Enthält der Arbeitsvertrag keine konkreten Angaben zur Arbeitszeit oder wurde eine konkrete Arbeitszeit nicht vereinbart, gilt als regelmäßig zu leistende Arbeitszeit die übliche Arbeitszeit im Betrieb. Im Rahmen seines Direktionsrechts kann der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit also grundsätzlich einseitig bestimmen bzw. ändern.
Fazit
Die gesetzlich höchst zulässige Wochenarbeitszeit beträgt 48 Stunden. Der Bereitschaftsdienst gilt als Arbeitszeit, während bei der Rufbereitschaft nur die Zeit, die für die tatsächliche Erbringung von Leistungen aufgewandt wird, als Arbeitszeit zu bewerten ist.
Autorin: Julia Laacks, Rechtsanwältin der Kanzlei Mönig und Partner in Münster
https://www.moenigundpartner.de/
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