Intern divers und kontrovers, nach außen geschlossen!
Der Deutsche Tierärztetag, das höchste beschlussfassende Gremium der Tierärzteschaft fand am 9. und 10.10.2025 in Dortmund statt. Das in diesem Jahr ausgerufene Schwerpunktthema „Tierschutz“ wurde am Donnerstag in vier Arbeitskreisen für die Bereiche „Kleintierpraxis“, „Pferdesport“, „Amt“ und „Nutztierhaltung (speziell Neuweltkamele und kleine Wiederkäuer)“ diskutiert und die in den Arbeitskreisen formulierten Forderungen der deutschen Tierärzteschaft am Freitag in der Hauptversammlung abgestimmt.

Dazwischen fand die festliche Abendveranstaltung mit Verleihung der Robert-Ostertag-Plakette und anschließender Party mit Livemusik statt.
Die Ergebnisse und Forderungen des Tierärztetages an Politik, Gesellschaft, Tierhaltende und den eigenen Berufsstand sind an anderer Stelle bereits veröffentlicht und kommentiert worden:
Bundestierärztekammer: 30. Deutscher Tierärztetag
VETimpulse “Fordern statt Zaudern” Ausgabe 20 vom 15. Oktober 2025
BaT reist mit Delegation nach Dortmund
Besonders spannend für uns, als BaT, ist die Frage, wie die teilnehmenden Kolleg:innen die Veranstaltung insgesamt wahrgenommen haben. In diesem Jahr haben uns neben unserer Mitarbeiterin Dr. Martina Warschau, unsere Campusstudentin aus Gießen Pauline Pfeifer und eine sehr erfahrene Kollegin, Dr. Christine Kreuzberger, in Dortmund unterstützt. Aus dem BaT- Vorstand nahmen Dr. Elisabeth Brandebusemeyer, Dr. Christian Wunderlich und Dr. Lilith Steingräber, teils in Doppelfunktion als BaT- und Kammerdelegierte teil. Selbstverständlich ist die Teilnahme des BaT nicht, muss doch für Organisationen, die keinen Beobachterstatus haben, mindestens ein Jahr im Voraus ein Antrag auf Teilnahme gestellt werden. Gleichwohl muss es jeder Tierärztin, jedem Tierarzt offenstehen, an der Veranstaltung teilzunehmen.
Ungekürzt, kontrovers, verschiedene Perspektiven — die persönlichen Eindrücke
Pauline Pfeifer, Tiermedizinstudierende und BaT-Campusstudentin
“Die Teilnahme am Deutschen Tierärztetag war für mich fachlich sehr bereichernd und bot spannende Einblicke in aktuelle Entwicklungen innerhalb der Tierärzteschaft.
Besonders positiv ist mir die Arbeit der AG Zukunft aufgefallen, die relevante Themen unserer Generation aufgreift und engagiert in die Diskussion einbringt.
Gleichzeitig hat mich die Atmosphäre in einigen Debatten nachdenklich gestimmt. Die Diskussionskultur war teilweise von Unterbrechungen, wenig gegenseitigem Respekt und wenig Offenheit für neue Perspektiven geprägt. Der Abstimmungsprozess über Stimmkarten wirkte im Vergleich zu modernen elektronischen Systemen veraltet und führte immer wieder zu unnötigen Verzögerungen.
Besonders irritiert hat mich die Skepsis gegenüber dem Vorschlag, eine AG Nachhaltigkeit ins Leben zu rufen – inklusive der Frage einiger Tierärzte, inwieweit Nachhaltigkeit in der Tiermedizin überhaupt relevant sei.
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Für mich unterstreicht gerade diese Reaktion, wie dringend notwendig es ist, sich mit diesem Thema zeitnah aktiv auseinanderzusetzen.
Trotz dieser Eindrücke bin ich dankbar, die Möglichkeit gehabt zu haben, teilzunehmen und die Dynamiken der Berufspolitik kennenzulernen. Der Tierärztetag hat mir deutlich gezeigt, wie wichtig es ist, dass junge Stimmen gehört werden und aktiv mitgestalten.”
Dr. Christian Wunderlich, 2. Vorsitzender des BaT

„Durch die deutschen Tierärztetage bekommen alle interessierten Tierärzt:innen in Deutschland die Möglichkeit, tiefer in die Berufspolitik einzutauchen, mitzudiskutieren und gleichgesinnte Kolleg:innen besser kennenzulernen.
Mein persönlicher Antrieb für die verschiedenen Ehrenämter – über den Deutschen Tierärztetag hinaus – ist die Vertretung der angestellten Tierärzt:innen, deren Stimme leider immer noch bei solchen Veranstaltungen in der Minderheit ist. Auch dieses Jahr in Dortmund zeigte sich, dass trotz vieler Bemühungen die alltäglichen Herausforderungen in unserem Berufsstand noch lange nicht bei allen Berufskolleg:innen, der Politik oder auch den „älteren“ Verbänden angekommen sind oder nicht gehört werden wollen. Danke daher an jede:n von euch, der uns durch seine (zukünftige) Mitgliedschaft im BaT unterstützt!“
Dr. Christiane Bärsch, Präsidentin der TÄK Niedersachsen und Vizepräsidentin der BTK

“In Dortmund durfte ich bereits zum fünften Mal an einem Deutschen Tierärztetag teilnehmen, und dieses Mal war es für mich vergleichsweise entspannt! Beim Tierärztetag vor drei Jahren in Berlin hatte ich nämlich gemeinsam mit Dr. Susanne Elsner einen der vier Arbeitskreise geleitet, was mit viel Arbeit im Vorfeld und viel Stress während der Veranstaltung verbunden ist. Man steht permanent unter Zeitdruck, weil die Arbeitskreise innerhalb eines Tages sehr viel Output produzieren, den man dann noch am späten Nachmittag druckreif zusammenfassen muss — um dann auch noch in der Pressekonferenz darüber zu berichten. Während der Pausen, in denen die anderen Teilnehmenden gemütlich zum Plaudern zusammenstehen, arbeitet man unter Hochdruck an den Texten, um alles unterzubringen, was gesagt wurde — ich hatte daher bei diesem Tierärztetag immer die Arbeitskreisleiter im Blick und habe sie ehrlich gesagt nicht um den Job beneidet.
Zum Glück hat jeder Arbeitskreis eine der Mitarbeiterinnen aus der BTK-Geschäftsstelle an seiner Seite — den Kolleginnen möchte ich mein großes Lob aussprechen, dass sie den Überblick behalten, souverän und hilfsbereit den ganzen Tag zur Verfügung stehen und dabei immer noch gute Laune versprühen.
Ich selbst hatte dieses Mal die Freiheit, zwischen den Arbeitskreisen zu wechseln, mir verschiedene Perspektiven anzuhören und Einblicke in ganz andere Arbeitsbereiche als meinen eigenen (die Kleintiermedizin) zu erhalten. Besonders spannend fand ich die Neuweltkamele, mit denen ich bisher noch überhaupt nichts zu tun hatte.
Während der Hauptversammlung habe ich festgestellt, dass wir eine gute Diskussionskultur pflegen in unserem Berufsstand, und auch, wenn einige Abstimmungen denkbar knapp waren (es muss dringend ein digitales Abstimmungssystem her, das Auszählen der Stimmkarten war ein echter Zeitfresser!) und ganz offensichtlich nicht alle immer einer Meinung waren, hörte man — auch in den Pausen — kein böses Wort. Besonders gefreut hat mich der Abschlussvortrag der AG Zukunft, da ich die AG ein Stück ihres Weges mit begleiten durfte und weiß, wie intensiv sie an ihren Anträgen für eine zukunftssichere Aufstellung der Tiermedizin gearbeitet haben. Eine schöne Belohnung dafür war, dass alle Anträge in der Hauptversammlung Zustimmung fanden!”
Dr. Christine Kreuzberger, Fachtierärztin für Tierschutz
“Aufgeregt und voller Erwartung bin ich als Delegierte des BaT eingeladen auf „der“ Zukunftsveranstaltung für Tierärzte. Ich kenne viele Namen und Gesichter sowie Geschichten dazu. Ich bin nun auch fast 30 Jahre dabei und als Fachtierärztin für Tierschutz vielleicht nicht ganz am Thema vorbei. Auch habe ich, in fast allen tierärztlichen Berufsfeldern gearbeitet. Ich hatte Visionen sogar schriftlich ausgearbeitet. Nach kurzer Zeit fällt mir die alte Warnung meines Professors ein „solche Veranstaltungen meide ich: vergeudete Zeit, mit Selbstbeweihräucherung und lobbyistischer Vorteilnahme lassen sich für das Allgemeinwohl keine Siege erringen“
Und so kommt es dann auch. Die Moderation und Zusammenfassung von alten Hasen, das Tempo schnell und die individuell resignierten Einwände sind bereichsübergreifend unversöhnlich. Die jeweiligen (Lobby) Gruppen stehen zusammen, freuen sich, es wird gelacht, getrunken, gefeiert und laudiert. Man bleibt unter sich und freut sich auf ein Wiedersehen in 3 Jahren. Ich habe sage und schreibe mit einer fremden Person sprechen können- weil sie abseits alleine stand und sich über die Kontaktanfrage freute!
Die Beschlussfassung ist thematisch nichts Neues, die Punkte sind wohl bekannt. Natürlich nachvollziehbar, aber wenig befriedigend. Auch in meiner Gruppe waren die Gespräche von Resignation geprägt. So ist der Forderungskatalog an die „Anderen“ stets größer als der Wille zur Eigenverantwortung. Gemäß dem Sprichwort……die Gelassenheit, die Dinge zu akzeptieren die ich nicht ändern kann; den Mut Dinge zu ändern, die ich ändern kann……hätte ich mir mehr Selbstverpflichtung und Vorschläge für Maßnahmen zur Umsetzung derselben gewünscht.
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Meine Themen zum Tierschutz wären gewesen:
1) Tierärztlicher Tierschutzfonds und Finanzierung
- Kernidee: Verpflichtende Eigenverantwortung der Tierärztinnen und Tierärzte als „berufene Schützer der Tiere“
- Bestandteile: Pflichtmitgliedschaft; Umwidmung von Beiträgen (Kammer); Einbindung von Spenden
- Gegenüberstellung: tierärztlicher Tierschutz vs. NGO-Tierschutz
- Ziel: Transparente Finanzierung und Ressourcenallokation
2) Fort- und Weiterbildung; kollegiale Zusammenarbeit
- Struktur: Bereichsübergreifende Pflichtstunden (Amt, Praxis, Universität, Bund)
- Kommunikation: Gegenseitige Aufklärung zu Situationen, Problemen und Vorgängen
- Hilfsmittel: Bereichs-Fall-Lexikon mit Bewertung, Empfehlungen und Gutachten
3) Organisation und Verantwortlichkeit
- Sondereinheit/Arbeitskreis (AK) der BTK:
- Aufgaben: Nachverfolgung, Sammlung und Bereitstellung von Gutachten, Akten, Fällen, Einbeziehung von Prof. Gruber
- Funktion: Interpretation und allgemeine Bewertung für alle Beteiligten
4) Juristische Ausarbeitung tierärztlicher Fragestellungen
- Umfang: Allgemeine und spezifische juristische Abklärungen im Auftrag der Tierärzteschaft
- Ziel: Rechtssichere Beratung in Praxis und Politik
5) Medizinische Inhalte, Behandlungen und Ethik
- Inhalte: Operationstechniken, Behandlungsoptionen
- Ethikthemen: Frage der Beihilfe zur Qualzucht
- Ziel: Einheitliches Vorgehen gegen „emotionale Erpressung“ und klare ethische Leitlinien
6) Kampagnen- und Verbandsthemen
- Vorgaben: Einheitliche Vorgehensweise für Kampagnen
- Rechtsrahmen: Verbandsklagewesen und ‑recht in den Bundesländern
- Berichte: Vorgänge, Erfolge und Perspektiven der involvierten Tierärztinnen und Tierärzte
Dr. Martina Warschau, BaT-Mitarbeiterin

“Es war schön, so viele engagierte und an Berufspolitik interessierte Kolleg:innen (wieder)- zu treffen. Der Wille zur Veränderung war spürbar, auch wenn der Weg dorthin an manchen Stellen noch etwas unstrukturiert wirkt.
Im Arbeitskreis 2 „Tierschutz in der Kleintierpraxis“ habe ich die Kommunikation zwischen Vertreter:innen aus dem Veterinäramt und den Praktiker:innen als notwendig und konstruktiv empfunden. Generell fehlte aber aufgrund der Masse an Themen die Zeit, die Probleme wirklich vertieft zu diskutieren, was teils zu überhasteten Abstimmungen führte. Mir fiel zudem, wie bereits auf dem Deutschen Tierärztetag 2022 in Berlin, auf, dass nicht alles, was und wie es am Vortag diskutiert wurde, korrekt in den Abstimmungen der Hauptversammlung berücksichtigt wurde.
Besonders wichtig und zukunftsweisend habe ich, als Frau und Tierärztin, die Ansprache der Frauengesundheit durch die AG Zukunft der BTK empfunden. Ich freue mich sehr, dass eine klare Mehrheit den Anträgen der AG Zukunft zugestimmt hat: Der Ausschuss für Arbeitsbedingungen der BTK soll sich künftig intensiver mit dem Thema Frauengesundheit befassen.
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Zudem soll sich die BTK gemeinsam mit anderen betroffenen Berufsvertretungen dafür einsetzen, eine Gesetzesinitiative zur Einführung eines Mutterschutzes für Selbständige voranzubringen – ein wichtiger Schritt für mehr Gleichberechtigung und Gesundheitsschutz in unserem Beruf.
Für mich und viele weitere Delegierte gefehlt hat eine Präsentation der Entwicklungen der Forderungen des 29. Deutschen Tierärztetages in Berlin. Die mit viel Engagement erarbeiteten Themen dürfen nach der Veranstaltung nicht “verschwinden”. Im Gegenteil sollte transparent aufgezeigt werden, welche Resonanz und Auswirkungen diese in der Tierärzteschaft, der Bevölkerung und der Politik haben.
Positiv hervorheben möchte ich das sehr gut organisierte Rahmenprogramm und die hervorragende Verpflegung der Delegierten – ein herzliches Dankeschön an die Organisator:innen!”
Dr. Elisabeth Brandebusemeyer, 1. Vorsitzende des BaT

“Dies war der dritte Deutsche Tierärztetag, an dem ich als BaT-Aktive teilgenommen habe. Die Atmosphäre und Organisation waren sehr gut. Zunächst schien das Thema „Tierschutz“ aus berufspolitischer Sicht, nicht so ergiebig. Bei genauerem Hinsehen, in den Diskussionen der verschiedenen Arbeitskreise und in der Hauptversammlung, zeigte sich jedoch, wie gut und wichtig es ist, dass auch bei diesem Thema der BaT Arbeitnehmenden eine Stimme gibt.
So konnte der BaT den Beschluss verhindern, dass Tierschutz über allen anderen konkurrierenden Gesetzen steht. Dieses hätte bedeutet, auch über dem Arbeitsschutz. Über die Hintertür wäre es somit möglich geworden, mit Tierschutzargumenten z.B. Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zu legitimieren. Mein Antrag, die Formulierung abzuändern in „im Zweifelsfall das Tierschutzgesetz über Jagd‑, Artenschutz- und Umweltgesetze zu stellen“, wurde glücklicherweise angenommen.
Mein zweiter Antrag, den Satz „Das Arbeitszeitgesetz muss für den Veterinärbereich flexibilisiert werden“ ersatzlos zu streichen, wurde leider mit großer Mehrheit abgelehnt. Diese Arbeitgebenden-Forderung aus dem, von Dr. Maren Püschel (BpT) geleiteten Arbeitskreis Kleintiere, war ohne im Vorfeld ausreichend diskutiert worden zu sein, im abschließenden Forderungspapier aufgetaucht. Bei mehreren Teilnehmenden, auch außerhalb des BaT, entstand der Eindruck vergangener Tierärztetage, dass in Teilen schon im Vorfeld feststeht, was am Ende formuliert werden soll.
Hier braucht es mehr Diversität bei der Zusammensetzung der Delegierten, in der Besetzung der Leitung der Arbeitskreise, mehr echte Diskussionen und mehr Reflexion. Besonders bei den beamteten und im öffentlichen Dienst angestellten Kolleg:innen, die hier zahlreich der Arbeitszeitgesetzflexibilisierung zugestimmt haben. Wer selbst gut verdient, von Vergünstigungen und Zulagen im Rahmen von Tarifverträgen für lange Arbeitszeiten profitiert, sollte angestellte Tierärzt:innen nicht dazu verdammen, dieses ohne angemessenen Ausgleich zu tun. Ein Ausspielen von Tierschutz gegen Arbeitsschutz, auch in der Notdienstdebatte, darf es nicht geben”.
Fazit zum 30. Deutschen Tierärztetag in Dortmund
Die Entwicklung beim Deutschen Tierärztetag ist positiv. Beim vorletzten Tierärztetag in Dresden 2018 handelte es sich noch um eine für angestellte Tierärzt:innen überwiegend „Geschlossene Gesellschaft“. In Berlin 2022, beim letzten Tierärztetag wurde dieses insbesondere durch den Arbeitskreis 4 „Quo vadis Tiermedizin“ aufgebrochen. In Dortmund war Luft nach oben. Dem Präsidium ist der Mut zu wünschen, kontroverse Debatten zuzulassen und über die Öffnung für Beobachterorganisationen Meinungsvielfalt einzuholen. Auch wenn damit die Ansprüche an Organisation und Moderation steigen, kann es nur so gelingen, die Vielfalt der Tiermedizin abzubilden. Und nur dann kann man mit Recht behaupten „im Namen der deutschen Tierärzteschaft“ zu sprechen.
