Stellungnahme des BaT zur Petition der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN)
Als Bund angestellter Tierärzte e.V. (BaT) positionieren wir uns klar gegen die Petition der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, FN, die sich gegen die seit einem Jahr gültige Neufassung der Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte, GOT, richtet.
Deutlich höhere Forderungen des BaT an die neue GOT
Als Berufsverband, der ausschließlich angestellte Tierärzt:innen vertritt, haben wir uns bei der Anhörung und Beratung zur neuen GOT aktiv eingebracht und klar für eine angemessene und dringend notwendige Erhöhung der Gebühren starkgemacht, um auch den angestellten Kolleg:innen ein adäquates Einkommen zu sichern. In unserer Stellungnahme zum Entwurf der neuen GOT gingen die Forderungen des BaT in Teilen deutlich über die vorgeschlagenen Erhöhungen hinaus.
Faktencheck zu Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit angestellter Tierärzt:innen in der Pferdepraxis
Häufigste Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz in der Pferdemedizin
Studien zu Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit, die wir zusammen mit dem Verbund unabhängiger Kleintierkliniken VUK e.V. im Jahr 2021/2022 veröffentlicht haben, beleuchten die Realität in der Pferdepraxis. Laut Studienergebnissen hatten angestellte Pferdetierärzt:innen häufiger als Tierärzt:innen aus anderen Bereichen eine vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit von über 48 Stunden pro Woche, was einen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz bedeutet (das entspricht 10,7% der Befragten, die Pferde behandeln).
Für Überstunden erhielten 58,8% keinen Ausgleich, keine Auszahlung, geschweige denn einen Zuschlag. 62,1% leisteten mehr als einen Nachtdienst pro Woche. Zusammen mit den Gemischtpraktiker:innen verrichteten die Kolleg:innen, die in einer reinen Pferdepraxis/-klinik arbeiteten die meisten Wochenenddienste: > 4 Wochenendtage/Monat (16% bzw. 15,8%). Lediglich 1,7% leisteten weder Nacht- noch Wochenenddienste.
Bezüglich Dienstmodellen und Rufbereitschaften war die Pferdemedizin der Bereich mit den häufigsten Hinweisen auf Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz.
Demgegenüber hatte mehr als die Hälfte der Nutztier‑, Gemischt- und auch Pferdepraktiker:innen nur 25 oder weniger Urlaubstage pro Jahr.
Pferdepraktiker:innen am unzufriedensten unter kurativ tätigen Tierärzt:innen
Beim Stundenlohn aller angestellten Tierärzt:innen, die für die Studie ausgewertet wurden, ergab sich ein Median von 20,51€ pro Stunde. 1,5% der Kolleg:innen (aller Fachrichtungen) arbeiteten unterhalb des zu dem Zeitpunkt geltenden Mindestlohns von 9,35 €. Bei 27,3% wurden keinerlei, mittlerweile in zahlreichen anderen Branchen übliche Zulagen, wie Weihnachtsgeld, Tankgutschein, vermögenswirksame Leistungen, betriebliche Altersvorsorge, Umsatzbeteiligung, zum Lohn gewährt.
Wenig verwunderlich, dass unter den kurativ tätigen Tierärzt:innen, die Pferdepraktiker:innen am unzufriedensten waren. Nur 34 % bewerteten ihre Arbeitszufriedenheit mit gut oder sehr gut.
FN-Petition zeugt von Unkenntnis der Belastung von Tierärzt:innen
Tierärzt:innen in Deutschland haben ein 6–7 fach erhöhtes Selbstmordrisiko verglichen mit der Normalbevölkerung. Eine der Hauptursachen ist die Diskrepanz zwischen dem tierärztlichen Engagement und der daraus resultierenden Belohnung bzw. Wertschätzung, zu der neben der ideellen Wertschätzung immer auch die angemessene monetäre Entlohnung gehört.
Kipperman et al. (2017) führten eine Online-Umfrage bei insgesamt 1088 praktizierenden Tierärzt:innen durch. Hiervon haben 57 % (n=620) angegeben, dass die finanziellen Limitierungen durch die Tierhalter sie in ihren Möglichkeiten, den Tieren die gewünschten Behandlungen zukommen zu lassen, einschränken. Etwa die Hälfte der Antwortenden (49 %, n=527) berichteten von einem Burnout. Insgesamt 77 % der Tierärzt:innen gaben an, dass die wirtschaftlichen Einschränkungen von Tierhaltern einen wichtigen Faktor für ihre Burnout-Symptome wären.
Vor diesem Hintergrund erscheint die FN-Petition betroffenen Kolleg:innen gegenüber zynisch und fernab jeglicher Kenntnis der täglichen Belastungen des tierärztlichen Berufes.
Tiermedizin, einer der anspruchsvollsten Studiengänge in Deutschland, generiert Gehälter unterhalb nahezu aller anderen akademischen Berufe, hat Arbeitsbedingungen, die nur mit einem hohen Maß an Idealismus zu verkraften sind und bringt Kolleg:innen, mehr als aus allen anderen Berufen, an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Gesundheit.
Tierärztliche Versorgung gefährdet
Spätestens im Jahr 2024/2025 arbeiten in der kurativen Praxis mehr angestellte Tierärzt:innen als selbständige. Unter den genannten Bedingungen in der Pferdepraxis und vor dem Hintergrund des allgemeinen Tierärztemangels (www.tierarztmangel.de), ist zu erwarten, dass sich zunehmend Kolleg:innen für einen Wechsel in andere Berufssparten mit besseren Arbeitsbedingungen, höherer Bezahlung und mehr Wertschätzung entscheiden.
Die FN hat mit ihrer Petition den Pferdebesitzern und den Pferden einen Bärendienst erwiesen. Dieses gilt ebenso für die eilig gegründete Vereinigung deutscher Tierhalter, VDTH. Man mag sich an dem Wort „Hausbesuchsgebühr“ stören und hätte diese auch als Aufwandsentschädigung, Rüstzeit, Schmutz- und Gefahrenzulage oder Servicegebühr einpreisen können. Angemessen ist sie in jedem Fall und das Pferd, bis auf ganz wenige Ausnahmen, ein Hobby‑, Freizeit‑, Sport- und Luxustier, das auch in Zukunft nur dann von kompetenten, engagierten Tierärzt:innen versorgt wird, wenn Arbeitsbedingungen, Bezahlung und Anerkennung der wertvollen, anspruchsvollen Arbeit entsprechen.
In den letzten 30 Jahren haben besonders angestellte Tierärzt:innen die Hobbytierhaltung zu einem hohen persönlichen Preis „querfinanziert“. Wer die Kosten für seine Tierärztin, seinen Tierarzt nicht vor der Anschaffung eines Tieres realistisch einplant und sie nicht aufbringen kann, handelt verantwortungslos, wenn er sich ein Tier anschafft.
Entstehung und Evaluierung der neuen GOT
Im politischen Entstehungsprozess wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, BMEL, eine fundierte Studie durch einen renommierten externen Anbieter in Auftrag gegeben. In diese flossen Interviews und Angaben zum zeitlichen Umfang tierärztlicher Tätigkeiten ein, um einen Mindestminutensatz zu berechnen, der erforderlich ist, damit Tierärzt:innen wirtschaftlich arbeiten können.
Auf Grundlage der Studie fand eine Online-Anhörung der tiermedizinischen Berufsverbände, Agrarverbände, sowie Tierschutz- und Verbraucherverbände statt. In einer sachlichen Diskussion wurde diesen Gelegenheit gegeben, ihre Standpunkte und Bedenken darzulegen. Konsens bestand unter allen darüber, dass es einer Erhöhung der GOT bedarf. Über Möglichkeiten, die Folgen besonders für die landwirtschaftliche Tierhaltung, aber auch für die private Hobbytierhaltung zu begrenzen wurde gesprochen. Im Anschluss wurde den Verbänden die Gelegenheit gegeben, ihre Positionen nochmals schriftlich darzulegen. Diese Stellungnahmen wurden veröffentlicht.
Ein Jahr nach Einführung der neuen GOT laufen aktuell erste Studien und Umfragen, um zu eruieren, ob die beabsichtigten Verbesserungen zugunsten der tiermedizinischen Einkünfte eingetreten sind. Nach vier Jahren ist eine umfangreiche Evaluierung vorgesehen, um gegebenenfalls Anpassungen vornehmen zu können.
Warum die FN sich am Entstehungsprozess nicht proaktiv für ihre Mitglieder eingebracht hat, sondern erst im Nachgang versucht Lobbyarbeit zu betreiben, entzieht sich unserer Kenntnis.
Angestellte Tierärzt:innen brauchen weitere Unterstützung
Damit von der neuen GOT nicht nur Inhaber oder Investoren profitieren und die Hälfte der Tierärzteschaft, die angestellten Tierärzt:innen nicht partizipieren, braucht es für diese weitere politische Unterstützung. Die Etablierung von Betriebsräten, zumindest in größeren Einheiten, als Instrument zur Mitbestimmung und eine klare Absage an Bestrebungen zur Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes für die Tiermedizin. Tarifverträge zur Verhandlung auf Augenhöhe zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden, wie in den anderen notdienstleistenden Berufen auch, sind der nächste Schritt, zur Verbesserung der Situation und zur Aufrechterhaltung der tiermedizinischen Versorgung.
Autorin: EB
Quellen
www.bundangestelltertieraerzte.de
https://bundangestelltertieraerzte.de/erhoehtes-suizidrisiko-in-der-deutschen-tieraerzteschaft/
Schwerdtfeger et al. (2020): Depression, suicidal ideation and suicide risk in German veterinarians compared with the general German population. In: The Veterinary record 186 (15), e2. DOI: 10.1136/vr.105430.
Gerdts, Wiebke-Rebekka (2021): Eine Kategorisierung der ethischen Konflikte in der Tierarztpraxis. Gießen: DVG Service GmbH.