Was können Tierärzt:innen tun, damit der Traumberuf nicht zum Albtraum wird?
In einer kleinen Umfrage anlässlich des diesjährigen Tags angestellter Tierärzte am 07.07.2021 haben wir die 144 Teilnehmenden gefragt, wieviel Zeit sie sich für Erholungspausen nehmen, was sie tun, um abschalten zu können, und welche Möglichkeiten sie sehen, ihren Traumberuf noch besser zu machen.
Ist das Arbeitszeitgesetz in der Tiermedizin nicht umsetzbar?
Zunächst weniger erstaunlich: Knapp 60% der Umfrageteilnehmer:innen gaben an, sich regelmäßig mit Freund:innen und Kolleg:innen außerhalb des Arbeitsplatzes auszutauschen.
Nun wird es spannender: Lediglich 22% kreuzten an, auf eine gesetzlich festgelegte tägliche Höchstarbeitszeit von maximal 10 Stunden zu achten. Zur Erinnerung: Die werktägliche Arbeitszeit von Arbeitnehmer:innen darf laut Arbeitszeitgesetz acht Stunden nicht überschreiten. Eine Verlängerung auf zehn Stunden pro Tag ist bei entsprechendem zeitlichem Ausgleich innerhalb von sechs Kalendermonaten bzw. 24 Wochen zulässig. Die Voraussetzung für eine korrekte Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben ist natürlich die Arbeitszeiterfassung.
Ebenfalls nur 22% der Teilnehmer:innen achten auf regelmäßige Pausen. Damit nimmt sich der überwiegende Teil der befragten Tierärzt:innen nicht die Ruhezeit, die gesetzlich vorgeschrieben ist. Nach maximal sechs Stunden Arbeit muss eine Pause von mindestens 30 Minuten, je nach Dauer der Arbeitszeit bis zu 45 Minuten eingelegt werden.
Nach einem Arbeitstag ist außerdem eine Ruhepause von 11 Stunden einzuhalten. Gerade einmal 25% der Befragten konnten sich so lange ausruhen. Hier finden Sie eine Linksammlung zu wichtigen Gesetzestexten.
Erholungspausen sind essentiell
Tierärzt:innen werden derzeit verzweifelt gesucht. Die Ursachen dafür sind vielfältig, allerdings dürfte auch die Nichteinhaltung des Arbeitszeitgesetzes seinen Teil zu dieser Problematik beitragen.
Die Arbeit mit Tier und Patientenbesitzer:innen macht Freude, ist aber oftmals auch äußerst anstrengend und erfordert zwingend Erholungspausen, um langfristig nicht auszubrennen. Burnout und eine erhöhte Suizidrate sind unter Tiermediziner:innen leider keine Seltenheit. Aber nie wurden die Themen so offen thematisiert, wie im Moment — ein positiver Trend. Nur wenn Probleme auf den Tisch kommen, können Lösungen gefunden werden.
Das Tragische dabei: Fast 40% der Teilnehmer:innen gaben an, gern etwas an ihrer beruflichen Situation ändern zu wollen, aber zu eingespannt zu sein. Die Tierärzt:innen merken, dass die derzeitige Arbeitssituation ihnen nicht gut tut, finden aber aufgrund des Arbeitsaufkommens keine Zeit, sich um eine Verbesserung zu kümmern. Auf Dauer kein Zustand, um in diesem Beruf glücklich zu werden und gesund zu bleiben.
Was können Tierärzt:innen tun, um ihren Beruf noch attraktiver zu machen?
Eine aktive Teilnahme in der Berufspolitik bei den Landestierärztekammern ist ein wichtiger Baustein, um Veränderungen anzustoßen. Nur 17% der Befragten können sich vorstellen selbst in der Berufspolitik mitzuwirken. Dabei ist es so wichtig, die Anzahl der angestellten Tierärzt:innen in diesen Institutionen zu erhöhen, damit deren Belange mehr Gewicht bekommen. Der BaT geht bei der Kammerwahl in Niedersachsen mit gutem Beispiel voran.
75% der Teilnehmer:innen wussten prinzipiell, was gut für sie wäre: auf sich selbst zu achten und neben der Arbeit für Entspannung zu sorgen.
Etwas mehr als ein Drittel gab an, sich zu den Themen Entspannung, Kommunikation und Stressbewältigung fortbilden zu wollen. Das Angebot an Weiterbildungen steigt kontinuierlich und auch wir haben uns eine Spezialistin ins Boot geholt, um unseren Mitgliedern zu diesem Themenkomplex unterstützend zur Seite zu stehen. Ab dem 30.09. bietet der BaT exklusiv für seine Mitglieder einen Kommunikationskurs für die Tierarztpraxis an. Der erste Kurs war in kürzester Zeit ausgebucht. Wir sammeln aber derzeit bereits Interessent:innen für den Folgekurs. Melden Sie sich gerne unter info@bundangestelltertieraerzte.de.
»Ich bin zu müde, um etwas zu tun«. Dieser Meinung war immerhin ein Drittel der Befragten. Ein Zustand, den sicherlich jeder Tierarzt und jede Tierärztin nachvollziehen kann. An manchen Tagen unvermeidbar, darf dieses Gefühl aber nicht zum Dauerzustand werden, denn: Wer möchte und kann auf Dauer eine Arbeit ausüben, die keine Zeit und Kraft mehr für das Leben neben dem Beruf lässt?
Unser Appell
Achten Sie auf Ihre Gesundheit, in dem Sie sich Zeit nehmen, sich zu erholen. Es ist wie im Flugzeug: Nur wer sich selbst zuerst die Sauerstoffmaske aufsetzt, kann sich anschließend um die anderen Fluggäste kümmern. Falls dies im aktuellen Praxisablauf nicht möglich ist, reden Sie mit Ihren Arbeitgebenden. Auch diese haben nur langfristig etwas von Ihnen, wenn Sie mit Ihrem Leben zufrieden sind und gesund bleiben.
Übrigens: Immerhin hielt ein Drittel der Teilnehmer:innen es für wichtig, die Arbeit des BaT als einzige reine Arbeitnehmer:innenvertretung zu unterstützen. Wir freuen uns sehr über Neumitglieder (für den Rest des Jahres 2021 nur noch zum halben Beitrag), denn nur gemeinsam können wir mehr erreichen. Alle Vorteile für Mitglieder finden Sie hier.