Wie zufrieden sind angestellte Tierärztinnen und Tierärzte?
Die Tiermedizin in Deutschland hat derzeit mit einem massiven Fachkräftemangel zu kämpfen, der die Notdienstversorgung ins Wanken bringt. BaT und VUK befragten im Jahr 2020 in einer Online-Umfrage 1416 angestellte Tierärztinnen und Tierärzte nach ihren Arbeitsbedingungen und ihrer Arbeitszufriedenheit. Dabei musste festgestellt werden, dass trotz langsamer Besserung in beiden Bereichen noch weitreichende Mängel vorhanden sind.
In der ersten von zwei Veröffentlichungen (beide Artikel sind frei zugänglich auf vetline.de), wurde dargelegt, dass sich die Arbeitsbedingungen insbesondere im Kleintiersektor zwar verbessert haben, aber weiterhin zum Teil auch deutliche Missstände existieren. Eine kurze Zusammenfassung ist hier zu finden. Im zweiten Paper wurde die Arbeitszufriedenheit angestellter Tierärzt:innen unter die Lupe genommen.
Wie steht es um die Arbeitszufriedenheit?
47% der Teilnehmenden bewerteten ihre Arbeitszufriedenheit mit “sehr gut” oder “gut”, 41% mit “befriedigend” oder “ausreichend” und 12% mit “mangelhaft” oder ungenügend”. Die höchste Arbeitszufriedenheit wiesen nicht-kurativ tätige Tierärzt:innen auf. Am unzufriedensten waren Kolleg:innen, die in der Pferdepraxis oder einer Universitätsklinik angestellt waren. Weniger Nacht- und Wochenenddienste, mehr Urlaubstage und ein höheres Gehalt sowie ein Ausgleich für oder eine Auszahlung von Überstunden führten zu einer signifikant erhöhten Arbeitszufriedenheit.
Was gefällt angestellten Tierärzten besonders gut?
Mit Abstand am häufigsten positiv hervorgehoben wurde das Team, die Kollegialität bzw. Kollegen und die Arbeitsatmosphäre. Über 200 Teilnehmer:innen waren mit ihren Arbeitszeiten bzw. der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben zufrieden. 150 Befragte äußerten sich positiv über ihre Vorgesetzten und 81 über den Austausch unter Kolleg:innen bzw. den Wissenstransfer innerhalb des Unternehmens und die Möglichkeit des Erwerbs eines Fachtitels (n=78). Ebenso relativ häufig erwähnt wurden die tierärztliche Tätigkeit an sich, die Eigenständigkeit und die Vielfältigkeit der Aufgaben.
Kritikpunkte
38% der Teilnehmenden gaben an “zu viele Überstunden” zu machen. Etwa ein Drittel bemängelte den Termin- und Zeitdruck sowie die Arbeitsmenge insgesamt und die fehlende personelle Unterstützung. 35% der Befragten wünschten sich die Einführung von Mitarbeitendengesprächen. Ebenso fehlten laut einem Drittel der Befragten mehr Feedbackgespräche und mehr Zeit für Weiterbildung durch erfahrene Tierärzte und Tierärztinnen.
In folgender Wortwolke sind individuelle Verbesserungswünsche aus Freitextantworten dargestellt.
Arbeitsklima
Lediglich ca. ein Drittel der Befragten stimmte zu, dass sie Probleme oder heikle Themen offen ansprechen könnten bzw. das Gefühl haben, dass ihre Ideen und Vorschläge berücksichtigt werden. Etwa die Hälfte der Teilnehmenden bezeichneten ihre Arbeitsatmosphäre und den Zusammenhalt in Team und Unternehmen als positiv. Angestellte Tierärzt:innen, die Kinder hatten, stimmten zu ca. 50% der Aussage zu, Beruf und Familie gut miteinander vereinbaren zu können.
Handlungsempfehlungen
Zunächst sollten die grundlegenden Rahmenbedingungen, die zu Unzufriedenheit führen, überprüft und optimiert werden. Zu diesen zählen erfasste und angemessen bezahlte Arbeitszeiten, Status und Sicherheit, Arbeitsumfeld und ‑bedingungen, das Verhältnis zu Kolleg:innen, professionelle Praxisorganisation und Personalführung und die Betrachtung der Auswirkungen der Arbeit auf das Privatleben.
Folgende Empfehlungen wurden auf Grundlage der Ergebnisse der Studie abgeleitet:
- Zeit in Mitarbeitende investieren
- Mitarbeitendengespräche und mehr Feedback-Gespräche führen
- mehr Zeit für Weiterbildung durch erfahrene Tierärzt:innen ermöglichen
- Optimierung der vertraglich festgelegten Arbeitsbedingungen (z.B. mehr Urlaubstage, Gehaltserhöhung, Zuschläge im Notdienst)
- Bessere Planbarkeit und Reduktion von Überstunden und Arbeitsbelastung
- Arbeitnehmer:innen in Überlegungen bezüglich des Optimierungsbedarfs einbeziehen
- Individuelle Arbeitsmodelle ermöglichen
- Wertschätzung und offene Kommunikation anbieten
- Raum für Konfliktbewältigung geben und bei Bedarf Hilfe einholen
Fazit
Die vorgestellte Studie zeigt sowohl beim Thema Arbeitsbedingungen angestellter Tierärzt:innen, als auch bei den in diesem Artikel vorgestellten Ergebnissen hinsichtlich deren Arbeitszufriedenheit noch viel Raum für Verbesserungen. Der derzeit vorherrschende Fachkräftemangel in der kurativen Praxis, der die Notdienstversorgung massiv gefährdet, besteht insbesondere, da angestellte Tierärzt:innen sich aktiv zufriedenstellendere Arbeitsverhältnisse suchen, entweder im nicht-kurativen oder komplett fachfremden Bereich. Diese Problematik zusammen mit der erhöhten Gefahr als Tierärzt:in in Deutschland Suizid zu begehen, müssen Anlass sein, um positive Veränderungen voranzutreiben. Tarifverträge stellen in diesem Zusammenhang eine effektive Methode dar, um die Arbeitsbedingungen durch klare, verbindliche Vorgaben, flächendeckend zu verbessern und durch diese in Verbindung mit weiteren hier vorgestellten Handlungsempfehlungen die Zufriedenheit angestellter Tierärzt:innen zu erhöhen.