Angestellt in der Tierarztpraxis: ein familienfreundlicher Arbeitsplatz?
Zu den vielen Herausforderungen, denen sich unser Berufsstand derzeit stellen muss, gehört auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wo in anderen Branchen flexible Arbeitszeitmodelle leichter umgesetzt werden können, muss in der Tiermedizin genau geplant werden, um die Arbeit praktizierender Kolleg:innen in individuellen Teilzeitmodellen und in Einklang mit den regionalen Kinderbetreuungszeiten zu ermöglichen.
Arbeitgebende Tierärztinnen und Tierärzte kommen nicht mehr umhin, die bisherigen Arbeitsstrukturen zu überdenken und alternative, nachhaltige Lösungen für den Arbeitsalltag des angestellten Personals zu entwickeln. Familie soll Teil des Lebens sein und Arbeitnehmer:innen sollten sich nicht mehr entscheiden müssen, ob sie berufstätig oder Eltern sein wollen. Durch die Feminisierung des Berufsstandes ist die Tierärzteschaft außerdem besonders aufgefordert, Tierärztinnen während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht zu verlieren, sondern langfristig im Beruf zu halten.
Dies kann nur innerhalb gewisser Rahmenbedingungen glücken. In der Umsetzbarkeit bestehen natürlich Unterschiede und nicht überall ist alles möglich. Aber schon kleine Maßnahmen können deutliche Signale in Richtung „familienfreundlicher Arbeitsplatz“ senden.
Im Gremium Elternsein des BaT haben wir uns Gedanken gemacht, was genau die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Praxis oder Klinik für angestellte Tierärzt:innen mit (Klein-)Kindern erleichtert.
Rahmenbedingungen
- planbare Arbeitszeiten, verlässlicher Dienstschluss
- klar geregelte Zuständigkeiten
- Ermöglichung individueller Teilzeitmodelle (Berücksichtigung der jeweiligen familiären Situation / Alter der Kinder / Arbeitszeiten des anderen Elternteils)
- Arbeitszeiten, die mit den Kinderbetreuungszeiten vereinbar sind ohne „auf Kante genäht“ zu sein (z.B. morgens Puffer zwischen Abgeben der Kinder und Sprechstundenbeginn, letzte 30 bis 60 min des Arbeitstages nur noch für Telefonate)
- 25–30 Tage Urlaub / Jahr (Schließzeiten in Kitas 4–6 Wochen pro Jahr, Schulferien deutlich mehr)
- bei Nacht- und Notdiensten: Zeitausgleich, angemessene Vergütung und langfristige Planung / Einteilung
- im Notfall evtl. Mitnahme der Kinder zur Praxis
Berufliche Entwicklung
- nicht schon bei der Bewerbung als Mutter abgewertet werden
- als Frau im gebärfähigen Alter nicht als „tickende Zeitbombe“ wahrgenommen werden
- bei Teilzeitarbeit nicht aufs “Abstellgleis” geschoben werden
- gleichwertige berufliche Weiterentwicklungschancen haben
- auch als Teilzeitkraft Anerkennung erfahren
- gute und ausreichend lange Einarbeitung erhalten
- lifelong learning innerhalb der Arbeitszeit (nicht zusätzlich und nach Feierabend)
- Fortbildungsurlaub und bezahlte Weiterbildung
- Unterstützung beim Wiedereinstieg nach Elternzeit oder Beschäftigungsverbot
Gehalt
- angemessenes, der Berufserfahrung entsprechendes Gehalt (Empfehlung BaT Standards)
- Vergütung für Notdienste und Überstunden
- korrekte Arbeitszeiterfassung
- das Gehalt aus einer Teilzeitstelle muss rentabel sein, damit sich Berufstätigkeit lohnt
- steuerfreier Arbeitgeberzuschuss zur Kinderbetreuung
Strukturen des täglichen Arbeitsalltags
- Zeitplanung für alle Mitarbeitenden effektiv aber schaffbar
- sinnvolle und durchdachte Auslastung der Praxis
- Stressprävention durch realistische Einteilung von Sprechzeiten und Terminen (z.B. eingeplante Zeitpuffer für Notfälle am Ende der Sprechstunde)
- Einsatz von Praxismanagement-Tools und unterstützendem Coaching
- Fahrpraxis mit sinnvoller, zeitsparender Routenplanung
- eingeplante Zeit für Patientenübergabe / Schichtwechsel und telefonische Rücksprachen
- “Plan B” bei Ausfall von Kolleg:innen
- festgelegte Vorgehensweise an „Katastrophentagen“
- gutes, wertschätzendes Arbeitsklima, Kollegialität, Rückendeckung und Vertrauen von Vorgesetzten, regelmäßige Mitarbeitergespräche, respektvoller Führungsstil
- offene, transparente Kommunikation der geltenden, fairen Regeln, um Verstimmungen im Team zu vermeiden (z.B.: Kolleg:innen mit Kindern: mehr Urlaub in den Schulferien; Kinderlose: außerhalb der Schulferien länger am Stück frei etc.)
- ausreichende Personaldecke
- gute technische Ausstattung (Praxis wie Dienstwagen) für kräfteschonendes und sicheres Arbeiten
Und bei euch?
Wie genau positionieren sich eure Arbeitgebenden im Kampf um Fachkräfte als familienfreundlicher Betrieb? Was haltet ihr für umsetzbar und was fehlt hier noch?
Schreibt uns gerne an info@bundangestelltertieraerzte.de zu euren persönlichen Erfahrungen.