Ist die Feminisierung Schuld an der Notdienstkrise?
Am 23.09.2021 erhielten die Mitglieder der Tierärztekammer Nordrhein ein Schreiben ihrer Präsidentin Frau Dr. Starke zum tierärztlichen Notdienst in Nordrhein. In diesem werden als Gründe für die, trotz Einführung der Notdienstpauschale, weiterhin anhaltende mangelhafte Versorgung von kleinen Haustieren im Notdienst der Tierärztemangel, die Feminisierung des Berufes, das Arbeitszeitgesetz, die Work-Life-Balance (viele Kollegen wollten keine Notdienste leisten), die Zunahme des Patientengutes aufgrund der Corona-Pandemie und eine häufig falsche Einschätzung eines Notfalles durch die Patientenbesitzer genannt.
Unsere Bitte um Stellungnahme
Wir erhielten bezüglich des Schreibens mehrere Anfragen unserer Mitglieder und verfassten daraufhin folgende E‑Mail an die Tierärztekammer Nordrhein mit der Bitte um eine Stellungnahme:
Sehr geehrte Frau Starke, sehr geehrte Damen und Herren,
wir nehmen Bezug auf Ihr Rundschreiben mit dem Betreff „Tierärztlicher Notdienst in Nordrhein“ an die Mitglieder Ihrer Tierärztekammer vom 23.09.2021.
Uns erreichten in den vergangenen Tagen zahlreiche irritierte Anfragen unserer Mitglieder, die oben genanntes Rundschreiben erhielten und mit Verwunderung den Inhalt an uns herantrugen.
Das zentrale Thema Ihres Briefes war die mangelhafte Notdienstversorgung in Nordrhein, aufgrund eines nicht flächendeckenden Angebots des Notdienstes durch niedergelassene Kollegen und Kolleginnen.
Unsere Mitglieder stellten uns genanntes Schreiben Ihrer Kammer zur Verfügung.
Sie, Frau Starke, zählen unter anderem folgende Gründe als ursächlich für die mangelhafte Notdienstversorgung in Ihrem Bundesland auf: Feminisierung des Berufes, Work-Life-Balance, Arbeitszeitgesetz, etc.
Und genau bei diesen Punkten fühlen wir uns als Bund angestellter Tierärzte e.V. angesprochen uns für unsere angestellten Kollegen und Kolleginnen zu positionieren.
Wie uns allen bekannt ist, ist nicht die Feminisierung unserer Branche das Problem der mangelhaften Notdienstversorgung, sondern die immer noch vorkommende Nichteinhaltung der geltenden Gesetze (Arbeitszeitgesetz, Arbeitsschutzgesetz). Hinzu kommt eine oft unattraktive Vergütung (sowohl der täglichen Arbeit als auch der Sonderschichten) sowie familienunfreundliche Arbeitszeiten. Ihr Verantwortlichmachen des weiblichen Geschlechts für die derzeitige Notdienstlage ist in hohem Maße diskriminierend.
An dieser Stelle möchten wir Sie bitten, zu Ihren Aussagen Stellung zu beziehen und diese zu erläutern.
Welche Quellen ziehen Sie heran, die Ihre Argumentation stützen?
Wieso ist die Feminisierung als „Problem“ zu benennen?
Wie steht das Arbeitszeitgesetz den Notdiensten im Weg?
Wie vertreten Sie als Tierärztekammer die Interessen der angestellten Tierärzte und Tierärztinnen? Wie stehen Sie zu flächendeckenden Tarifverträgen?
Wir bedanken uns für eine Rückmeldung bis zu dem 20.10.2021. Gerne würden wir Ihre Sichtweise zuerst verstehen, um eine adäquate Berichterstattung zu ermöglichen. Gern stehen wir auch für ein Gespräch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Bund angestellter Tierärzte e.V.
Der BaT steht als Gesprächspartner bereit
Da wir auf unsere Anfrage am 12.10.2021 keine Rückmeldung erhielten, baten wir am 01.12.2021 erneut um eine Stellungnahme. Leider blieb auch die Antwort auf unsere zweite Nachricht bisher aus. Das ist sehr bedauerlich, da wir der Ansicht sind, dass eine effektive Bekämpfung der aktuellen Probleme in der Tiermedizin einen offenen Austausch und eine konstruktive Zusammenarbeit erfordert.
Der BaT steht dennoch selbstverständlich weiterhin als Gesprächspartner zur Verfügung.
Weitere Gedanken und Lösungsvorschläge unsererseits zur Notdienstkrise sind in unserem aktuellen News-Artikel “Notdienst aus Sicht der angestellten Tierärzt:innen” zu finden.