Kommentar des BaT zur Blogserie “Tiermedizinische Betriebswirtschaft” von Ralph Rückert
Was sind eigentlich “Faire Preise” und welche Bedeutung hat dieser Begriff für angestellte Tierärzt:innen?
Kommentar des BaT zu der dreiteiligen Blogserie “Tiermedizinische Betriebswirtschaft” von Tierarzt Ralph Rückert.
Der Bund angestellter Tierärzte e.V. hat mit großer Freude die (öffentlich zugänglichen) Artikel von Ralph Rückert zur Abrechnung tiermedizinischer Leistungen gelesen. Die GOT- das wichtigste Instrument der Tierärzt:innen, um Arbeitskraft, Wissen und die Zeit am Patienten in der Praxis in fairen Lohn umwandeln zu können- wird in der dreiteiligen Serie besonders unter die Lupe genommen.
Faire Preise = Dumping?
Leider sind für viele Besitzer:innen „faire Preise“ immer noch ausschlaggebend für gute Bewertungen bei Google und Co, ohne sich bewusst zu sein, dass dies laut Rückert gleichbedeutend mit „Illegalem und massivem Gebührendumping unter Ausnützung mühsam getarnter Sklavenarbeit von Abhängigen“ sei. Denn an den umfangreichen Kosten für Material und Ausstattung zur Aufrechterhaltung einer guten Tiermedizin kann kaum etwas gedreht werden- an den Personalkosten hingegen schon. Gewollt oder ungewollt- laut Rückert sind die Löhne der Faktor, der von Praxisinhaber:innen schon immer am besten beeinflussbar war und so kann bei Preisdumping davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter:innen in betreffenden Praxen nicht adäquat bezahlt werden. Es ist kein Geheimnis, dass vielerorts die Gehälter für angestellte Tierärzt: innen noch immer zu niedrig sind, gemessen an der Ausbildung, den Arbeitszeiten und dem fachübergreifenden Wissen, das die meisten Besitzer:innen in der täglichen Praxis erwarten. So führt Rückert den zunehmend kritische Ausmaße annehmenden Fachkräftemangel in der Tiermedizin unter anderem auf die schlechte Bezahlung zurück.
Findet bereits ein Umdenken statt?
Dass man die (prekären) Bedingungen hätte mit einkalkulieren müssen, hält der Autor für Unsinn, denn es braucht nun mal Tierärzt:innen für die medizinische Versorgung aller Tiere „weil sonst das ganze System zu einem hässlich knirschenden Stillstand kommt“- es nützt also nichts die bestehenden Umstände einfach hinzunehmen, vielmehr braucht es ein Umdenken aller Beteiligten: Kund:innen UND Tierärzt:innen. Da die Auswirkungen des Tierärzt:innenmangels jetzt schon vielerorts spürbar sind, Besitzer:innen nachts mit einem Notfall hunderte Kilometer weit fahren müssen oder schlicht gute zugewandte Tiermedizin immer seltener wird, sind laut Autor viele Tierhalter:innen bereit, diesen Weg mitzugehen.
Welche Stellschrauben gibt es?
Nun müssen auch wir Tierärzt:innen endlich anfangen zu begreifen, dass die richtige und vollständige Anwendung der GOT Voraussetzung für gute Löhne (auch für tiermedizinische Fachangestellte) in der Tiermedizin ist und wir uns der prekären Lage bewusst sein müssen. Angestellte Tierärzt:innen sollten sich vor Antritt ihrer ersten Stelle- oder besser noch im Studium- mit der Gebührenordnung, den einzelnen Posten und enthaltenen (und nicht enthaltenen) Leistungen und der Ausreizung der Gebührensätze, besonders auch im Notdienst oder außerhalb der Sprechzeiten vertraut machen. Denn jede:r angestellte:r Tierärzt:in ist letztlich mitverantwortlich für ihr/sein Gehalt, indem alle erbrachten Leistungen korrekt in Rechnung gestellt werden. Erst wenn die laufenden Kosten wie Medizintechnik, Medikamente, Fortbildungen aller Mitarbeiter etc. gedeckt sind, beginnt aus Umsatz Gewinn zu werden. Und nur wer Gewinn erzielt, hat Chancen auf entsprechende Löhne. Wir alle müssen also anfangen, unsere Skills und unser Wissen angemessen abzurechnen. Was oft besonders schwer fällt, ist die Abrechnung von Beratungen – aber auch hier gilt „Zeit ist Geld“ und das Wissen, dass hinter einer Beratung, welcher Länge und Intensität auch immer, steckt, wurde in fünfeinhalb Jahren Studium hart erarbeitet.
Was kann ich als angestellte:r Tierärzt:in beitragen?
Besonders für frisch approbierte Tierärzt:innen kann es hilfreich sein, betriebswirtschaftliches Denken für die Praxis in speziellen Fortbildungen zu erlernen- zumal dieses Thema im Studium leider kaum behandelt wird- um ein Gefühl dafür zu bekommen, mit welchen Kosten eine Praxisführung überhaupt verbunden ist. Da sich der BaT ganz deutlich für den Dialog mit den Arbeitgeber:innen einsetzt, sind wir der Überzeugung, dass ein gewisses betriebswirtschaftliches Verständnis der Angestellten für einen besseren Start in ein Arbeitsverhältnis sorgen kann.
Und die Inhaber:innen?
Umgekehrt appellieren wir an alle Arbeitgeber:innen, die noch immer nicht bereit sind, angemessene Löhne zu zahlen: Rechnen Sie die tiermedizinische Leistung entsprechend ab und klären Sie die Besitzer:innen bei Preisdiskussionen über die Gründe auf. Für Fairness gegenüber den Angestellten, ein hohes medizinisches Niveau und eine zukunftsträchtige Tiermedizin braucht es „mehr Geld im System“!
Was bringt die Zukunft?
Die Essenz der Blogserie ist klar: das System Tiermedizin wandelt sich bereits und der BaT begrüßt diese Entwicklung hin zu besserem Lohnniveau, Aufklärung der Kund:innen, Sensibilisierung von Angestellten für betriebswirtschaftliche Prozesse und die Einschätzung des eigenen Marktwertes sehr und möchte dem Kollegen Ralph Rückert herzlich für die ehrlichen und an mancher Stelle auch erheiternden Worte danken. Auch wenn der Autor als Praxisinhaber eigentlich aus unserer Sicht „auf der anderen Seite steht“, blicken wir doch in dieselbe Richtung.
Alle BaT-Miglieder und die, die es noch werden wollen, weisen wir auf die zahlreichen arbeitsrechtlichen Informationen im internen Bereich der Homepage hin. Im Laufe des Jahres bietet der BaT seinen Mitgliedern immer wieder kostenlose Online-Seminare zu verschiedenen Themen (Lohnoptimierung, Steuern, Arbeitsrecht) an. Werden Sie Mitglied, um nichts zu verpassen!
Tierärztin Dr. Eva Strüve für den BaT