10. Leipziger Tierärztekongress Januar 2020/ Teil 2
Berufspolitisches Forum und Recht für Tierärzte
Berufspolitisches Forum: Die Einheit der Tierärzteschaft – Wunschtraum oder Wirklichkeit?
Tierärztinnen und Tierärzte in Deutschland – Analyse eines Berufsstandes aus Sicht eines Zaungastes
Von Nora Baum (Politikwissenschaftlerin, Unternehmensberaterin)
Frau Baum hat, so sagt sie, durch ihre Eltern schon als Kind Einblicke in die Probleme der Tierärzteschaft bekommen. Das so genannte „Dinner Capital“, welches sie dadurch erworben hat, zeigte vor allem die vielen verschiedenen Teams, die die Tierärzte beschäftigen, jedoch mit der Gemeinsamkeit, dass die Probleme letztendlich oft die gleichen waren, unabhängig vom Thema.
Tierärzte stellen eine homogene Gruppe dar, die durch das schwierige Studium an wenigen Standorten sehr konzentriert ist. Daher bleibt die Gruppe der Tierärzte lange homogenen stabil, man kennt sich. Es entstehen jedoch Untergruppen: Amtstierärzte, praktische Tierärzte, große Kliniken etc. Die Gruppen überschneiden sich immer wieder und es kommt zwischendurch zu Konflikten, die sich vor allem bei der Kammerarbeit äußern. Als Beispiel die Apothekenprüfung: dabei ist die schwierige Situation die, dass sich Tierärzte gegenseitig kontrollieren. Der Amtstierarzt kontrolliert den praktischen Tierarzt. Daraus ergibt sich in der Situation ein Machtgefälle, unabhängig davon ob man vorher eigentlich die gleiche Startposition als Tiermedizin-Student hatte. In so einer Situation hat jeder seine Rolle zu spielen, auch wenn dies vielleicht nicht unbedingt dem eigentlichen Charakter der Teilnehmer entsprechen mag. Daher sollte nicht aus diesen Rollen auf ganze Gruppen geschlossen werden (zum Beispiel der Amtstierarzt als der böse Prüfer). Die Tierärzte sollten sich mehr als ein Puzzle sehen, in dem jeder seinen Beitrag zum Gesamtbild beiträgt.
Die Sicht eines Kleintierpraktikers
Von Martin Pehle (Tierarztpraxis Pehle, Kammerpräsident)
Die grundsätzliche Frage ist, wer die Tierärzteschaft überhaupt ist. Daraus ergeben sich schon die ersten Konfliktlinien. Diese können biologische Gegebenheiten, gesellschaftliche Konventionen, Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Verhältnisse, der Umgang mit der GOT und vieles mehr sein. Man sieht also, dass die Tierärzteschaft nicht einheitlich ist, aber diese Vielfalt auch eine große Stärke ist. Die Einheit zueinander besteht aus dem Weg, den alle Tierärzte gemeinsam im Studium gegangen sind. Sie teilen die Achtung vor Geschöpfen und ihren Respekt vor der Schöpfung. Sie sehen sich als Anwalt der Tiere.
Was merkt der Kleintierpraktiker nun von der Einheit oder der Uneinigkeit der Tierärzteschaft? Im Bereich des Tierschutzes gibt es eine gute Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt. Konflikte können sich zwischen Klein- und Großtierpraktikern ergeben, wenn zum Beispiel die Kleintierpraxis durch die Großtierpraxis subventioniert ist und dies zu günstigeren Preisen führt. Viele Konflikte ergeben sich auch aus dem Notdienst: Ausschöpfungs-Unterschiede der GOT, Frage nach Tierarten, Notdienste inkl. Befreiungsregelungen.
Tierärzte haben aber auch viele Freiheiten in ihrem Beruf. So zum Beispiel in der Diagnostik, der Therapie, der Berufsausübung und dem Umgang zwischen Mensch und Tier. Herr Pehles Erfahrung ist, dass wenn man miteinander redet und Probleme offen anspricht, sich viele Konflikte aus dem Weg räumen lassen und dass sich dieser Aufwand meistens auch lohnt.
Anmerkung eines Großtierpraktikers
Von Michael Kreher
(Tierärztliche Gemeinschaftspraxis Bad Liebenwerda)
Der tierärztliche Beruf ist ein freier Beruf. Allein schon die Wahl des Arbeitsplatzes ist sehr unterschiedlich. Die Anforderung der Tierhalter ist vor allem an die praktizierenden Tierärzte sehr hoch. In der Praxis braucht man daher einen Tierarzt, der am besten auf eine Tierart spezialisiert ist. Durch die Spezialisierung ist es möglich, Arbeitszeitmodelle zu entwickeln und höhere Gehälter zu zahlen, da man nicht mehr alles unter einen Hut bekommen muss und die Praxis besser strukturieren kann. Aber gerade auf dem Land werden Tierärzte gebraucht, die 24 Stunden Notdienst für alle Tierarten bieten und schnell erreichbar sind. Das Modell der Gemeinschaftspraxis funktioniert nur in einem Team mit mehreren Tierärzten. Die Kollegialität zwischen praktizierenden Tierärzten ist leider nicht immer gegeben. Die Zusammenarbeit mit Überweisungskliniken läuft meistens gut. In der Nutztierpraxis bestehen zu den Veterinärämtern durch amtliche Aufträge meist problemlose Verbindungen. Ein Konfliktfeld ist jedoch die TÄHAV, die Tierärzte und Landwirte verunsichert. Der Nutztierarzt gelangt dabei oft in den Fokus der Unzufriedenheit der Landwirte. Grundsätzlich empfinden alle Tierärzte eine Einheit zwischen einander, die unbedingt erhalten werden sollte. Langfristig werden flächendeckend mehr Gemeinschaftspraxen gebraucht, die in der Lage sind, einen professionellen regionalen 24 Stunden Dienst anzubieten. Dies ist nur durch größere Praxen mit mehreren Tierärzten mit Tierartspezialisierung realisierbar.
Anmerkung einer Amtstierärztin
Von Silke Neuling (Veterinäramt Teltow-Fläming)
Amtstierärzte überwachen praktizierende Tierärzte, sie vergeben hoheitliche Aufgaben an die Kollegen und arbeiten auch an den gleichen Aufgaben. Die Zusammenarbeit erfolgt auf den Gebieten der Tierseuchenbekämpfung, dem Tierschutz, der Schlachttier- und Fleischuntersuchung und der Tierarzneimittelüberwachung. Konfliktpotential haben jedoch die unterschiedlichen Arbeitsweisen und Anstellungsverhältnisse.
Es müssen Lösungen zur Entschärfung der Situation gefunden werden. Dies kann z.B. dadurch initiiert werden, dass Amtstierärzte regelmäßiger mit praktizierenden Tierärzten ins Gespräch kommen und ein gegenseitiges Vertrauen und Verständnis sowie ein kollegiales Miteinander aufgebaut wird.
Anmerkung einer Industrie-Tierärztin
Von Rebekka Reimold (Ceva Tiergesundheit GmbH)
In diesem Vortrag geht Frau Reimold vor allem auf Ihren beruflichen Werdegang ein und wie sie persönlich in der Industrie „gelandet“ ist. Anfangs sagt sie, dass Wege oft andere Wendungen nehmen als man sich das ursprünglich vorgestellt hatte. So kann ein Studierender, der anfangs praktizieren wollte, sich selbst auch irgendwann in der Industrie wiederfinden. Dabei ist Industrie nicht gleich Industrie – auch hier gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, sei es Labor, Forschung, Marketing, Vertrieb oder fachliche Beratung. Bei ihrer Aufgabe als Verkaufsleitung sind Ihre Aufgaben vielfältig. Vor allem Mitarbeiterführung ist eine Herausforderung. Die Einheit unseres Berufsstandes ist grundsätzlich unser Studium und die vielseitige Ausbildung. Als Industrietierarzt resultiert daraus die Kommunikation auf Augenhöhe mit den Kunden, den Tierärzten. Dabei wünscht sich Frau Reimold, dass die Außenwahrnehmung der Industrietierärzte durch die praktizierenden Tierärzte verändert werde, denn nur weil man nicht mehr selbst kurativ tätig sei, sei man kein schlechter Tierarzt.
Recht für die Ärzte
Aktuelles aus dem Arbeitsrecht: Arbeitszeit und deren Vergütung
Von Jürgen Althaus (tiermedrecht – Anwaltskanzlei Althaus)
Arbeitszeit und Vergütung sind immer wieder im Fokus der Tierärzteschaft. Durch die ständige Erreichbarkeit im Notfall sollen erbrachte Leistungen am besten gut bezahlt sein. Viele Tierärzte sind im Dauereinsatz. 40-Stunden-Wochen sind eher Utopie- und das bei einem eher durchschnittlichen Einkommen. Gerade unter angestellten Tierärzten wächst das Verlangen nach geregelten Arbeitszeiten mit einer höheren Vergütung. Arbeitgeber stehen dabei vor Herausforderungen. Berufsrechtliche Vorgaben aber auch Arbeitszeitgesetz müssen unter einen Hut gebracht werden.
Was ist hierbei zu berücksichtigen?
Arbeitgeber müssen hier besonders achtsam sein, da ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Vorgaben empfindliche Geldbußen und in Extremfällen sogar Freiheitsstrafen nach sich ziehen können.
Arbeitszeit ist definiert als Zeit von Beginn bis Ende der Arbeit. Ruhepausen sind nicht Bestandteil der Arbeitszeit. Wichtig ist, dass Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern zusammengerechnet werden. Dies ist im Falle einer Nebentätigkeit des Arbeitnehmers wichtig. Die maximal zulässige gesetzliche Arbeitszeit beträgt 48 Stunden pro Kalenderwoche. Bei der Zugrundelegung einer wöchentlichen Arbeitszeit, verteilt auf sechs Tage, also eine Arbeitszeit von acht Stunden täglich. Diese kann auch auf zehn Stunden erhöht werden, jedoch muss ein Ausgleich gewährt werden, so dass in einem Zeitraum von sechs Monaten eine durchschnittliche Arbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich nicht überschritten wird.
Bei Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft gibt es aus außerdem Unterschiede.
Bereitschaftsdienste bedeuten, dass der Arbeitnehmer sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten hat. Die Freizeitgestaltung ist enorm eingeschränkt, also sind die Zeiten des Bereitschaftsdienstes voll umfänglich als Arbeitszeit anzurechnen und zu vergüten.
Rufbereitschaft bedeutet, dass der Arbeitnehmer in der Wahl seines Aufenthaltsortes halbwegs frei ist, er muss jedoch telefonisch erreichbar und innerhalb eines angemessenen Zeitraums am Arbeitsort sein. In dem Moment wo er in Anspruch genommen wird, gilt die Rufbereitschaft als Arbeitszeit.
Auf die Einhaltung der maximalen Arbeitszeit muss der Arbeitgeber unbedingt achten, außerdem müssen Ruhepausen und Ruhezeiten eingehalten werden. Ruhepausen stehen jeden Arbeitnehmer zu, der mehr als sechs Stunden arbeitet. Dann muss er mindestens 30 Minuten Ruhepause haben. Bei mehr als neun Stunden, mindestens 45 Minuten.
Nach der täglichen Arbeitszeit muss eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden gewährleistet werden. Dies ergibt oft Probleme mit der nächtlichen Rufbereitschaft: da Einsätze in der Rufbereitschaft als Arbeitszeit gelten, muss im Anschluss an den letzten Einsatz die vorgegebene Ruhezeit von mindestens elf Stunden gewährt werden.
Ein weiteres Thema ist die Nachtarbeit. Diese entsteht, wenn der angestellte Tierarzt mehr als zwei Stunden zwischen 23:00 und 6:00 Uhr arbeitet. Nachtarbeit muss zwingend mit einem Zuschlag von in der Regel 25% versehen werden. Die Ausgestaltung bleibt dem Arbeitgeber überlassen – entweder er gewährt Freizeit oder zahlt entsprechende Zuschläge.
Die Hauptleistungspflicht des Arbeitsnehmers ist die Erbringung der Tätigkeit der vereinbarten Arbeitszeit.
Die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers besteht in der Entrichtung der Vergütung. Dabei ist der gesetzliche Mindestlohn zu beachten, der ab dem 1.1.2020 auf 9,35€ gestiegen ist. Diesen muss der Arbeitgeber sicherstellen, besonders wenn der Arbeitnehmer unbezahlte Überstunden leistet.
Wie Überstunden gehandhabt werden kommt auf die vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer an. Ist der Arbeitnehmer zur Erbringung von Überstunden verpflichtet, findet sich häufig auch eine Regelung im Arbeitsvertrag, auf welche Art ein Überstundenausgleich gewährt wird. Wurde die Vereinbarung nicht getroffen, hat der Arbeitgeber das Wahlrecht wie er Überstunden ausgleichen möchte.
Unwirksam ist die Regelung in einem Vertrag, in dem jegliche Überstunden mit dem Grundgehalt abgegolten sein sollen. Dies ist eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers. Dieser Umstand kann auch bedeuten, dass dem Arbeitnehmer nicht der ihm gesetzlich zustehende Mindestlohn gezahlt wird.
Sonderzuwendungen können auch problematisch sein, besonders wenn der Arbeitgeber diese ohne rechtliche Bindung auszahlen möchte. Eine Formulierung im Arbeitsvertrag, dass eine Sonderzuwendung freiwillig geleistet wird, reicht nicht aus. Der Arbeitnehmer sollte bei jeder einzelnen Sonderzahlung auf die Freiwilligkeit und Unverbindlichkeit hinwiesen werden.
Mit guter Personalführung zum Erfolg – was Mitarbeiter glücklich macht
Von Bodo Kröll (Fachtierarzt-Zentrum Erfurt)
Das Herz jedes Unternehmens sind die Mitarbeiter und je zufriedener sie sind, desto leistungsfähiger sind sie. In den letzten Jahren mussten Arbeitgeber viel dazu lernen und sich Strategien überlegen um Mitarbeiter glücklich zu machen.
Nachfolgend eine Aufzählung aus Herrn Krölls eigener Erfahrung.
- Grundvoraussetzung ist ein rechtssicherer Arbeitsvertrag, in dem Notdienste, Arbeitszeiten, Urlaubs- und Überstunden-Regelungen festgehalten sind.
- Arbeitszeiterfassung ist unumgänglich.
- Ein angemessenes Gehalt ist die Grundvoraussetzung für qualifiziertes Personal. Daneben gibt es viele Möglichkeiten der Nettolohnoptimierung wie zum Beispiel Tankgutscheine, Kostenübernahme für Kinderbetreuung etc. Zwar ist dies mit mehr Aufwand verbunden, zeigt aber eine Wertschätzung des Mitarbeiters. „Bekannt sei: Geld allein verdirbt langfristig die Motivation. Wichtiger sind Respekt und Anerkennung für die Arbeit“.
- Ein sehr wichtiger Punkt ist Kommunikation. Dazu können Pausen, Teambesprechung etc. genutzt werden. Auch ein „Danke“ sollte häufiger ausgesprochen werden und dann möglichst zeitnah, persönlich und glaubhaft.
- Auch gemeinsame Aktivitäten verbessern das Zusammengehörigkeitsgefühl. Zum Beispiel Abendveranstaltungen oder kreative Events.
- „Wertschätzung ist ein menschliches Grundbedürfnis, ohne das alle Motivation vertrocknet“.
- „Zufriedene Mitarbeiter arbeiten härter und motivierter. Erfolgreiche Arbeitgeber haben darum ganz unterschiedliche Strategien, um ihre Mitarbeiter glücklich zu machen. Doch die meisten setzen auf Vertrauen und Wertschätzung. Denn Lob ist oft wichtiger als Geld.“