Welche Möglichkeiten gibt es nach Erhalt der Approbation?
Das Gremium Berufspolitik nahm am 21.11.2020 von 10:00 bis 18:30 Uhr am Live Career Day des bpt- Kongress 2020 Digital teil. Alle Beiträge wurden aktiv verfolgt und für Sie zusammengefasst. Wir danken dem Gremium an dieser Stelle für den Überblick über die wichtigsten Inhalte und Erkenntnisse, welche wir Ihnen hier als Nachlese zur Verfügung stellen. Der Live Career Day beschäftigte sich außerdem mit Themen rund um den tiermedizinischen Arbeitsmarkt und die Zusammenarbeit von Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen und sprach somit alle tiermedizinischen Kolleg:innen, ob Absolvent:in, Praxisinhaber:in oder Widereinsteiger:in gleichermaßen an. Auch das Thema Tarifvertrag in der Tiermedizin wurde diskutiert.
“Was muss ich beim Berufseinstieg können?”
Den Start in den Live Career Day übernahm der Pferdetierarzt Dr. Kai Kreling. In seiner Präsentation fand er sehr beruhigende Worte. Eigentlich müsste man als Berufseinsteiger:in lediglich die allgemeine Untersuchung und Injektionstechniken beherrschen, der Rest käme von selbst. Vor allem die für den Behandlungserfolg wichtige Kommunikation zwischen Besitzer:in und Tierarzt:in und das Management von Untersuchung und Behandlung in Anwesenheit der Kund:innen erfordere Berufserfahrung.
Weiterhin zählte er auf, was Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in einander bieten sollten, um ein zufriedenstellendes Arbeitsverhältnis zu schaffen. Von Arbeitgeber:innenseite fielen hier die Begriffe „Flexibilität“, „Stundenkonto“, „finanzielle Anreize für Sonderschichten“.
Der:die angestellte Tierarzt:in sollte ebenfalls flexibel und zum Ableisten von Notdiensten bereit sein sowie ein aktives Interesse an persönlicher Weiterbildung haben. Kreling betonte besonders, dass das Nachfragen extrem wichtig und auch erwünscht sei.
Arbeitgeber:innen wünschen sich Eigeneffizienz und Eigenverantwortung des Arbeitnehmers. Kreling äußerte auch den Wunsch, angestellte Tierärzte:innen mögen „denken wie ein:e Selbstständige:r“.
Kreling betonte, dass „die Jungtierärzt:innen bezüglich Work-Life-Balance schon viel erreicht“ und viele Arbeitgeber:innen den Generationenwechsel erkannt hätten.
Gleichzeitig reproduziert er durch die Verwendung von Begriffen wie „Jungtierarzt“ oder „Anfangsassistent“ jedoch Generationenklischees. Diese Begriffe zementieren Hierarchien und werten ab. Der BaT bevorzugt den Begriff „angestellte Tierärztin“ bzw. „angestellter Tierarzt“.
“Promotion, Fachtierarzt, Diplomate- was braucht’s am Arbeitsmarkt?”
Dr. Carsten Grußendorf (Tiergesundheitszentrum Grußendorf) erklärte im Rahmen seines Vortrages die unterschiedlichen Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung auf dem Feld der Veterinärmedizin.
Einer Promotion gegenüber sei er recht kritisch eingestellt, er betonte die oft stattfindende Ausbeutung und mangelhafte Betreuung. Für eine Anstellung im Amt, in der Industrie und auch der Wissenschaft sei sie allerdings von Vorteil oder zum Teil sogar Voraussetzung.
Eine Fachtierarztausbildung verhelfe zu guten praktischen Fertigkeiten, da man für den Erwerb dieses Titels die Bearbeitung zahlreicher Fälle nachweisen müsse. Allerdings sei die Ausbildung in jedem Bundesland anders geregelt und der Erhalt einer Weiterbildungsermächtigung stelle Einrichtungen zum Teil vor schwer zu erfüllende Auflagen.
Der europäisch anerkannte Diplomate sei mit viel Theorie verbunden und fast nur an Universitäten mittels einer vierjährigen Residency zu erlangen. Hier bemängelte Grußendorf, dass diese Ausbildung „Fachidioten“ hervorbringe, die nur auf einem eng umrissenen Gebiet einsetzbar seien. Für das Antreten einer Residency müsste ein zwölfmonatiges Internship absolviert werden.
Eine Selbstständigkeit direkt nach dem Studium empfehle er eher nicht, da weder Erfahrung im Personalmanagement noch eine wirtschaftliche Ausbildung vorhanden seien.
Dr. Grußendorf betonte mehrmals, dass keiner der erwähnten Titel die Garantie mit sich bringe, ein gute:r Tierarzt:in zu sein und zu werden.
Diese Äußerung aus seinem Mund, der er selbst laut Praxishomepage einen Doktortitel führt, Fachtierarzt für Kleintiere und Diplomate des European College of Veterinary Surgeons ist, mag Absolvent:innen etwas Entspannung verschaffen, die angesichts der Fülle von postgradualen Weiterbildungsmöglichkeiten fürchten, den Überblick zu verlieren.
“Studium fertig- was dann? Geflügel‑, Kleintier‑, Pferde‑, Rinder- oder Schweinepraxis?”
Dr. Rainer Schneichel, Leiter einer Kleintierklinik in Mayen, erzählte in seinem Vortrag aus seiner persönlichen Lebenserfahrung, welche beruflichen Entscheidungen ihn zu einem Allrounder gemacht haben und welche Entscheidungen er vielleicht in Nachhinein anders getroffen hätte.
Dabei forderte er Studierende zur Selbstreflexion auf: Sie sollten sich überlegen, in welchen Bereich(en) sie arbeiten wollen würden, was ihnen wichtig sei, woran sie Freude hätten und welche Kriterien unbedingt erfüllt sein müssten.
Schneichel brachte mit seiner sympathischen Art eher allgemeine Ratschläge an, als zielgerichtete Entscheidungshilfen. Jedoch ist die Entscheidung, in welche Richtung man sich spezialisiert, ja auch eine sehr persönliche.
“Battle: Reform des Tiermedizinstudiums- was muss unbedingt rein, was raus?”
In diesem Battle standen sich Kim Usko, Geschäftsführerin der Studierendenvertretung bvvd, Prof. Dr. Andrea Tipold, Dekanin der Tierärztlichen Hochschule Hannover und Dr. Siegfried Moder, Präsident des bpt, gegenüber. Die drei Vertreter unterschiedlicher Interessensgemeinschaften widmeten sich gemeinsam einer Frage: Wie könnte bzw. müsste das Tiermedizinstudium reformiert werden, um den heutigen Bedarf an Tierärzt:innen am Arbeitsmarkt nicht nur zu decken, sondern diesen auch das richtige Handwerkszeug für den Beruf mitzugeben?
Frau Usko, Frau Tipold und Herr Moder diskutierten über verschiedene Ansätze und Fragestellungen, fanden aber alle einen Konsens, und zwar, dass definitiv ein Verbesserungsbedarf besteht.
Herr Moders Hauptsorge war, ob auch die richtigen Menschen zu diesem Studiengang zugelassen werden und diese dann auch in aktuellen Thematiken, wie Kommunikation, Ökonomie und Digitalisierung ausgebildet werden. Frau Tipold stellte daraufhin das neue Zulassungsverfahren der TiHo Hannover vor, das jetzt unter anderem den Medizinertest, wie aus der Humanmedizin bekannt, umfasst. Frau Usko stellte dazu fest, dass die bisherigen Verfahren die Abiturient:innen auf das Studium vorbereiteten, jedoch nicht auf das Berufsleben.
Auch zu dem Punkt der Fachschwerpunkte während des Studiums würde Frau Usko gerne die Wahlpflichtfächer verstärken und Frau Tipold Fächer wie Botanik verkürzen oder in andere Themenbereiche, wie die Tierernährung, integrieren. Herr Moder merkte aber richtigerweise an, dass der normalerweise angesetzte Zehn-Jahreszyklus für Veränderungen in der Studienordnung nicht ausreiche, um die aktuellen Probleme des Arbeitsmarktes zu lösen.
Eine darauf ausgerichtete Frage war die Gegenüberstellung einer geteilten und ungeteilten Approbation und ob das in die spezifischen Gebiete der Veterinärmedizin auch bessere Bewerber:innen schicken würde. Alle waren sich einig, dass eine fachliche Festlegung schon während des Studiums keine Entspannung bringen würde, sondern gerade im Nutztierbereich hingegen eher zu einer Verschärfung führen würde. Viele entdeckten ihr Interesse an anderen Fachrichtungen erst, wenn sie sich im Studium oder im Rahmen von Praktika damit auseinandersetzen müssten.
Herr Moder stellte klar, dass “wir junge, motivierte Absolvent:innen brauchen und nicht den perfekten Veterinär:in”.
Womit er den Nagel auf den Kopf trifft und die Verantwortung der Studiengestalter anspricht, ein Studium anzubieten, was junge Kolleg:innen motiviert, ihnen die Basics vermittelt und alles auf den Weg gibt, was man für einen erfolgreichen Berufsstart braucht.
Fazit
Wir als BaT erkennen deutlich, dass der Bedarf einer Veränderung, insbesondere in der Lehre der Veterinärmedizin, erkannt wurde und bereits unterschiedliche Lösungsansätze in der Diskussion sind. Wir begleiten diese spannende Entwicklung für Sie und informieren Sie fortlaufend über berufspolitische Themen.
Das Gremium Berufspolitik
Für den BaT