Weg mit alten Klischees
Am 10.12.2020 erschien der Artikel “Das Gehalt ist nach fünfeinhalb Jahren Studium ein Schlag ins Gesicht” in der Serie “Mein erstes Jahr im Job” auf Spiegel Online. Die 2.Vorsitzende des BaT, Dr. Elisabeth Brandebusemeyer, reagierte sofort mit einer Stellungnahme.
Sehr geehrter Herr Gontek und Team,
seit vier Jahren gibt es den BaT — Bund angestellter Tierärzte e.V., der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Arbeitsbedingungen in der Tiermedizin zu verbessern.
Artikel, wie der von Ihnen verfasste, sind aus unserer Sicht für Studierende der Tiermedizin und Berufseinsteigende wenig hilfreich.
Bedienen sie doch sämtliche Klischees des/der rund um die Uhr arbeitenden Tierarztes/Tierärztin, der/die für wenig Geld versucht, es jedem Kunden recht zu machen, geleitet ist von überidealisierter Tierliebe, der/die bei jeder Euthanasie ohne professionelle Distanz agierend mitweint und ohne Selbstvertrauen und Unterstützung älterer KollegInnen Probleme hat, im Beruf Fuß zu fassen.
Weder weisen Sie auf die Ursachen für die vierfach erhöhte Selbstmordrate unter TierärztInnen hin, noch auf den enormen Wandel, den die Feminisierung des Berufes in den letzten 30 Jahren mit einem Studentinnenanteil von mittlerweile 90% nach sich zieht.
Zwar erwähnen Sie die niedrigen Gehälter, ohne aber Gründe dafür anzugeben.
Neben den Gehaltsempfehlungen des bpt gibt es unsere BaT-Standards mit Gehaltsempfehlungen, die sich deutlich abheben.
Das Engagement von Investoren wie Mars oder Nestlé im Tiermedizinmarkt mit der Etablierung größerer Einheiten und Ketten, die längst erkannt haben, wie lukrativ der Markt ist, werden ebenso wenig erwähnt, wie die aktuelle Problematik der Notdienstversorgung unter Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes, die zum Kliniksterben geführt hat.
Oberflächliche, rückwärtsgewandte Berichterstattung schadet unserem Beruf.
In den letzten Jahren hat, auch durch unser Engagement, endlich ein Wandel begonnen. Spätestens die Generation Y setzt andere Prioritäten im Leben. Arbeit und Leben müssen vereinbar sein, Arbeit und Familie auch. Erfolgreiche Karrieren in der Tiermedizin für Frauen, auch in Teilzeit und angestellt, sollten selbstverständlich werden.
Auch TierärztInnen, egal ob selbständig oder angestellt, haben ein Anrecht auf Privatleben und Feierabend. Ein Einstiegsbruttojahresgehalt von 30.000€ verglichen mit 40.500€ (Mittelwert über die Einstiegsbruttojahresgehälter von allen akademischen Berufen, vgl. Ey-Studierendenstudie 2020 Werte, Ziele, Perspektiven), ist für einen der schwierigsten Studiengänge in Deutschland indiskutabel.
Der Eindruck, den Sie erwecken, in der Tiermedizin sei das alles eben so und nicht zu ändern, ist schlichtweg falsch.
Es braucht neue Wege. So kämpft der BaT für einen Tarifvertrag, der endlich verlässliche Rahmenbedingungen in der Tiermedizin schafft.
Alle anderen notdienstleistenden Berufe regeln im Rahmen von Tarifverträgen Überstunden, Ruf‑, Bereitschafts- und Notdienste. Ohne Tarifverträge ist eine tier- und arbeitsschutzgerechte 24/7 Versorgung kranker Tiere nicht möglich.
“Tierärztin werden” muss heutzutage anders aussehen, als beschrieben. Auch und gerade vor dem Hintergrund, nicht die Praxis der Eltern übernehmen zu können.
Gerne stehen wir für weitere Informationen und ein Gespräch zur Verfügung.
Diese Stellungnahme darf nach Rücksprache zur Veröffentlichung verwendet werden.
Mit freundlichen Grüßen,
im Namen von Vorstand und Mitgliedern des BaT
Elisabeth Brandebusemeyer