Ein Tarifvertrag in der Tiermedizin- Vorteile für Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen
Im Hinblick auf den deutschen Tierärztetag 2018, dort stattfindender verschiedener Zukunftsworkshops zur tierärztlichen Tätigkeit 2030 und der Gefährdung der tierärztlichen Versorgung im Notdienst, sollten Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen in der Tiermedizin ins Grübeln kommen. Sind aktuelle Strukturen in der Tiermedizin noch zielführend oder ist ein Umdenken erforderlich? Folgender Text stellt die verschiedenen Aspekte der Thematik eines Tarifvertrages dar.
Definition Tarifvertrag
In einem Tarifvertrag werden die Inhalte und Bedingungen von Arbeitsverhältnissen innerhalb einer Branche (sog. Flächentarifvertrag) oder eines Unternehmens (sog. Firmentarifvertrag) festgelegt. Er wird zwischen zwei Tarifparteien, nämlich einer Arbeitgeber:innenvereinigung und einer Arbeitnehmer:innenvereinigung (Gewerkschaft) auf Basis des Arbeitsrechts geschlossen. Dem Prinzip der Tarifautonomie folgend, nimmt der Staat dabei keinen Einfluss. Die Einhaltung der Vereinbarungen erfolgt unmittelbar und zwingend sobald ein Arbeitsverhältnis vertraglich abgeschlossen wird, sofern beide Parteien Mitglied in der entsprechenden Vereinigung sind. Endet der Tarifvertrag, gelten die Arbeitsbedingungen für die Angestellten noch so lange weiter, bis eine neue Vereinbarung getroffen ist. Unter bestimmten, sehr klar definierten, Bedingungen können Tarifverträge vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales auch für allgemeinverbindlich (und damit unabhängig von Mitgliedschaften) erklärt werden.
Situation in der (Tier-)Medizin
Für die Humanmedizin gibt es bereits seit 1947 den Marburger Bund als Interessensvertretung der angestellten Ärzte. Zahlreiche Tarifverträge zwischen dem Marburger Bund und Universitätskliniken, kommunalen Krankenhäusern und Privatkliniken regeln die Arbeitsbedingungen von Ärzt:innen.
Während die Arbeitsverhältnisse der tiermedizinischen Fachangestellten über die Tarifverträge des Verbandes medizinischer Fachberufe e.V. geregelt werden, gibt es für Tierärzt:innen bislang keine Tarifverträge, keine Gewerkschaft und auch keine reine Arbeitgeber:innenvereinigung. Der überwiegende Teil der niedergelassenen Tierärzt:innen arbeitet in Einzelpraxen mit wenigen Mitarbeitenden und nur ein kleiner Teil der insgesamt praktisch tätigen Tierärzt:innen arbeitet in großen Kliniken. Die Bildung von Betriebsräten, die in großen Unternehmen auch ohne Tarifvertrag die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden nachhaltig beeinflussen können, scheint daher für die Tiermedizin weniger geeignet und ist ebenfalls in der Tiermedizin wenig bekannt.
Vorteile für Arbeitgeber:innen
Für Arbeitgeber:innen ergeben sich aus einem Tarifvertrag entscheidende Vorteile. Sie haben für den Zeitraum der Laufzeit des Tarifvertrages finanzielle Planungssicherheit, d.h. die anfallenden Personal- und Betriebskosten können exakt berechnet werden. Einheitliche, wettbewerbsfähige Regelungen z.B. zur Qualifikation der Mitarbeitenden oder zu Betriebsinvestitionen können v.a. in Tarifverträgen mit mehrjähriger Laufzeit festgelegt werden. Aus dem Wegfall von Einzelverhandlungen mit Arbeitnehmer:innen resultieren Zeit- und Arbeitsersparnis und ein verbessertes Betriebsklima, da für alle Mitarbeitenden dieselben Arbeitsbedingungen gelten. Flächentarifverträge sorgen zudem für einen fairen und sozialen Interessensausgleich in der gesamten Branche. Besonders interessant für die Tiermedizin dürften die Öffnungsklauseln sein, die die Umgestaltung der gesetzlichen Vorgaben und die Anpassung an die jeweilige Tätigkeit ermöglichen (z.B. Pausenzeiten, Ruhezeiten im Notdienst). Mitglieder eines Arbeitgeber:innenverbandes haben zudem Anspruch auf Beratung, z.B. in Belangen des Arbeitsrechtes. Nicht zuletzt haben Betriebe, in denen die Tarifbedingungen gelten, eine positive Ausstrahlung auf Bewerber:innen. Verlässliche und faire Arbeitsbedingungen fördern die Bindung eines Mitarbeitenden an einen Betrieb, die Identifizierung mit dem Arbeitsplatz und dadurch auch Leistungsbereitschaft, Verantwortungsgefühl und Wohlbefinden am Arbeitsplatz.
Vorteile für Arbeitnehmer:innen
Auch und vor allem für Arbeitnehmer:innen, hat ein Tarifvertrag bedeutende Vorteile. Die Zugehörigkeit zu einer Interessensvertretung stärkt die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer:innen und erhöht die Durchsetzungskraft bei der Verbesserung von Arbeitsbedingungen. Die/der einzelne Angestellte muss selbst keine Gehaltsverhandlungen führen oder andere Arbeitsbedingungen mit seiner/seinem Arbeitgeber:in aushandeln. Gerade angestellte Tierärzt:innen könnten hiervon maßgeblich profitieren, weil es bislang sehr große Schwankungen bei den vertraglich festgelegten Arbeitsbedingungen gibt. Die Bindung an den Tarifvertrag reduziert Neid und Missgunst unter den Mitarbeitenden eines Betriebes, da die vorgegebenen Bedingungen für alle klar und transparent sind. Durch die Bindung an den Tarifvertrag kann sich die/der Angestellte auf die vereinbarten Rahmenbedingungen, z.B. zu Gehalt, Notdienstregelungen, Urlaubsanspruch und Kündigungsfrist verlassen, was ihr/ihm private Planungssicherheit verschafft. Bereits bei der Arbeitssuche oder sogar der Wahl eines Berufes weiß ein:e Bewerber:in, worauf sie/er sich einstellen kann. Ist die/der Arbeitnehmer:in in Anstellung, schützt der Tarifvertrag vor einem plötzlichen Wechsel der Arbeitsbedingungen. Nicht zuletzt sind faire, geregelte und verlässliche Arbeitsbedingungen die Basis für Leistungsbereitschaft, Bindung an den Arbeitsplatz und Zufriedenheit im Beruf.
Aktuelle Situation und Ausblick
Aus den oben genannten Ausführungen wird deutlich, dass ein Tarifvertrag zahlreiche Vorteile für beide Seiten, Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen mit sich bringt. In vielen Branchen hat sich die Anstellung nach Tarifvertrag seit vielen Jahrzehnten bewährt.
Viele Tierärzt:innen sind mit der aktuellen Arbeitsmarktsituation in der Tiermedizin unzufrieden. Die Arbeitgeber:innen auf der einen Seite beklagen mangelnde Einsatzbereitschaft und hohe Ansprüche der jungen Kolleg:innen. Sie haben, v.a. im ländlichen Raum, vermehrt Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Auf der anderen Seite setzen junge Arbeitnehmer:innen (der Anteil an Frauen in der Tiermedizin steigt stetig) heute andere Prioritäten bei der Arbeitswahl und sind nicht mehr bereit bestehende Arbeitsbedingungen (häufig lange Arbeitstage, wenig Wertschätzung, unbezahlte Notdienste, geringes Einkommen) zu akzeptieren.
Diese Diskrepanz gilt es aufzugreifen und zu diskutieren. Digitalisierung, Globalisierung, demografischer Wandel, work-life-balance, flexible Arbeitszeitmodelle, Teilzeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Notdienstregelungen, Praxismanagement, Führungsqualitäten und wirtschaftliche Grundlagen sind Themenbereiche, die die Entwicklung des tierärztlichen Berufsstandes der Zukunft beschäftigen (müssen) und prägen. Der Schritt in Richtung Tarifvertrag, mit der Chance auf Festlegung zeitgemäßer und fairer Standards für beide Parteien könnte die Tiermedizin hier in eine langfristig stabilere Arbeitsmarktsituation bringen.
Für den BaT

Welche Vorteile habe ich als Mitglied?
Quellenangaben:
https://www.tieraerzteverband.de/bpt/Inhaber/tfa/13-index-tfa.php
https://www.absolventa.de/karriereguide/vertragsarten/tarifvertrag
https://www.vmf-online.de/http://www.dgb.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Tarifvertrag
https://www.finanztip.de/tarifvertrag/
https://www.marburger-bund.de/der-marburger-bund
http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsrecht/Tarifvertraege/tarifvertraege.html
https://www.bundestieraerztekammer.de/btk/statistik/
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