„Wo drückt der Schuh im Verhältnis von Inhabern zu Angestellten?“
Zusammenfassung der Podiumsdiskussion im Rahmen des BpT-Kongresses in München am 19.10.2019
Beim diesjährigen BpT- Kongress in München vom 17.–19.10.2019 wurden bei dem Round Table „Wo drückt der Schuh im Verhältnis von Inhabern zu Angestellten?“ mögliche Ursachen des Nachwuchsmangels in der Tiermedizin diskutiert. Der Bund angestellter Tierärzte e.V. (BaT) wurde durch den 1. Vorsitzenden Dr. Christian Wunderlich vertreten.
Teilnehmende:
- Hellige (BpT-Arbeitskreis Angestellte Tierärzte)
- Kröll (BpT-Vorstand)
- Moog (Rechtsanwältin, BpT-Geschäftsstelle)
- Remien (Verbund unabhängiger Kleintierkliniken)
- Usko (Vizepräsidentin des BVVD)
- Wunderlich (1. Vorsitzender des Bund angestellter Tierärzte)
Gründung VuK
Zu Beginn begrüßt der Moderator, Herr Färber (Geschäftsführer des BpT), die Gründung des ersten reinen Arbeitgeberverbandes der Tiermedizin, des Verbandes unabhängiger Kleintierkliniken (VuK) – der BaT berichtete. Remien, Gründungsmitglied des VuK, berichtet über die Bemühungen und betont die Notwendigkeit, auf die sehr unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Anforderungen bzw. Probleme bei Groß- und Kleintierpraxen einzugehen. Die Forderungen des BaT begrüßt Remien, betont allerdings, dass die Arbeitgeber für die Umsetzung der BaT Standards Zeit benötigen. Zunächst gelte es, den Rahmen des Arbeitszeitgesetzes zu erfüllen.
Dass dem VuK bereits 26 große Kleintierkliniken beigetreten sind, zeige, dass viele Arbeitgeber die aktuellen Probleme (Image großer Kliniken, Verhältnis AG zu AN, persönliche Wertschätzung der Angestellten, modernes Mitarbeitermanagement) erkannt hätten und angehen wollten.
Gehaltsvorstellungen
Laut Arbeitgeberseite können Universitäts-AbsolventInnen in Bewerbungsgesprächen ihre Wünsche und (Gehalts-)Vorstellungen oft nicht formulieren. Inhaber wünschen sich mehr Selbstbewusstsein, die eigenen Qualifikationen und Stärken bei Verhandlungen angemessen einzuschätzen.
Usko als Vertretung der Studierenden dagegen legt den Fokus bei der Stellensuche eher auf zwischenmenschliche Aspekte, Arbeitsklima und persönliche Wertschätzung durch Arbeitgeber und Kollegen.
Die aktuelle Gehaltstabelle des Bpt für Langzeit-Angestellte (5.–6. Berufsjahr 3217–3860€ brutto bei einer 40-Stunden-Woche) stößt bei Remien, Wunderlich und einem großen Teil des Auditoriums auf Unverständnis (siehe hierzu Kommentar des BaT). Hellige als Vertretung der Arbeitnehmer beim BpT verteidigt die neuen Empfehlungen als „Mindestangaben“ bzw. „Anhaltspunkte“, denen örtliche sowie praxisorganisatorische Unterschiede zugrunde liegen. Der BaT positioniert sich deutlich gegen die aktuellen Gehaltsempfehlungen: Wunderlich entgegnet, dass ein angestellter Tierarzt mit mehrjähriger Berufserfahrung deutlich mehr erwirtschaften kann und das angegebene Gehalt damit nicht angemessen sei. Remien wünscht sich – da die BpT Empfehlung nach wie vor für die breite Masse leitenden Charakter habe – mehr Entlohnungsehrlichkeit vom BpT. In einem abschließenden Appell sind alle aufgerufen, die GOT einzuhalten, betriebswirtschaftlich zu denken und leistungsgerecht abzurechnen, nur so seien höhere Gehälter auch umsetzbar.
Prekäre Situation auf dem Arbeitsmarkt
Wunderlich, Kröll und Remien sehen die größten Probleme bei der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes. Angestellte fordern bessere und flexiblere Arbeitsbedingungen. Bei Einhalten der gesetzlichen Vorgaben ist für viele Kliniken ein 24/7‑Betrieb aber nicht möglich und führt zur Abgabe des Klinikstatus. Trotz Anpassung der Stellenausschreibungen und Gehälter erhielten viele Kliniken kaum Bewerbungen mehr. Hinzu kommen regionale Unterschiede zwischen Stadt und Land. Usko sieht Nacht- und Notdienste – explizit als Frau – nicht als „k.o.- Kriterium“ für eine Stelle, solange diese auch entsprechend vergütet werden (Umfrage von BVVD-Partner Evidensia mit 800 Teilnehmern bestätigen diese Aussage). Auch Wunderlich kann aus eigenen Erfahrungen der BaT-Mitglieder die Bereitschaft zum Nacht- und Notdienst bestätigen, jedoch nur zu anständigen Arbeitsbedingungen. Färber und Moog, an den Universitäten als „Ökonomieteam“ tätig, teilten diese Erfahrungen nicht.
Rolle der Tierärztekammern
Ein Teilnehmer nimmt die Tierärztekammern in die Pflicht. Ein anwesender Mitarbeiter der LTK Berlin weist auf die fehlenden finanziellen und personellen Mittel hin. Zudem sei eine Kampagne zur Aufwertung des tierärztlichen Berufsbildes notwendig, professionelle Strukturen und die finanziellen Mittel fehlten jedoch. Das Engagement junger Tierärzte wäre äußerst wichtig – dies unterstützt auch der BVVD und versucht junge Tierärzte für die Berufspolitik zu begeistern.
Lösung Tarifvertrag?
Für Remien und Wunderlich ist ein Tarifvertrag die einzige Lösung. Hierin könnten Arbeitnehmer und Arbeitgeber Gehälter und Arbeitszeiten für ihre Mitglieder festlegen. Der BaT konnte auf seiner Mitgliederversammlung am 12.10.2019 einstimmig die Satzungsänderung zur Tariffähigkeit beschließen. Moog bekräftigt, dass eine Abweichung vom Arbeitszeitgesetz nur in kollektiver Vereinbarung möglich sei und begrüßt deshalb die aktuellen Bemühungen des BaT und VuK – gleichwohl hierfür noch einige verfassungsrechtliche Voraussetzungen, wie die soziale Mächtigkeit erfüllt werden müssen. Um die soziale Mächtigkeit zu gewähren, benötigt der BaT mehr Mitglieder. Die Anregung von Wunderlich, der BpT könne seine angestellten Mitglieder (ca. 2000) motivieren im BaT Mitglied zu werden, um die Bemühungen eines Tarifvertrages voranzutreiben, blieb seitens des BpT unbeantwortet.
Versorgung im Notdienst
Die Qualität der Versorgung von Nutztieren in Deutschland ist sehr von der geografischen Lage abhängig. Im ländlichen Raum ist die Versorgung von Einzeltieren kaum rentabel. Wenn die gesetzlichen Regelungen für Arbeitnehmer eingehalten werden, liegt die Belastung bei den Arbeitgebern – diese sind nicht durch das Arbeitszeitgesetz geschützt. Remien fordert den BpT auf, die Arbeitgeber im BpT zu mobilisieren. Um den Notdienst weiterhin zu gewährleisten, müsse den Arbeitnehmern im Gegenzug etwas angeboten werden. Dazu gehörten neben finanziellem Ausgleich auch weitere „Goodies“ (z.B. Hundetagesstätte/bezahlte Fortbildungen; in anderen Branchen häufig Dienstwagen), genauso wie Wertschätzung, Anerkennung und respektvoller Umgang. Kröll wirft ein, dass die Tiermedizin auch eine Berufspflicht zum Not- und Wochenenddienst hat. Moog appelliert an alle Arbeitnehmer, sehr viel mehr als nur die üblichen Bausteine im Vertrag schriftlich zu regeln, der Verhandlungsspielraum sei da.
Wandel auf dem Arbeitsmarkt
Ein Publikumsbeitrag prangert die „schwarzen Schafe“ mit sehr schlechten Arbeitsbedingungen an, die junge Absolventen verschleißen, woraufhin diese dem praktischen Arbeitsmarkt dauerhaft fernbleiben. Hellige meint, dass sich nur von „unten“ etwas ändern könne. Der Arbeitnehmermangel sei da, Arbeitgeber würden sich heute beim Arbeitnehmer bewerben, der Prozess benötige aber Zeit. Wunderlich motiviert daraufhin die Nutztierpraktiker sich ebenfalls zusammenzuschließen und auf die Missstände hinzuweisen, um dauerhaft etwas zu verändern.
Geht es den Tierärzten noch zu gut?
Offensichtlich ja.
Wie geht es weiter?
- Praktikanten sind die Arbeitnehmer von morgen. Florian Diel, Geschäftsführer des BVVD, fordert die Arbeitgeber auf, die Ausbildung von Praktikanten ernster zu nehmen – ein Praktikanten-Leitfaden ist bereits mit dem VuK erarbeitet. Auch Hellige erarbeitet mit dem Arbeitskreis dazu schon ein Papier für Berufsanfänger.
- Missstände müssen gemeinschaftlich bewältigt werden.
- Die GOT muss konsequent umgesetzt werden.
- Die Tiermedizin als freier Beruf muss verteidigt werden. Dr. Remien sieht diesen stark durch die Corporates (Geschäftsziel Rendite) bedroht
- Mehr angestellte Tierärztinnen und Tierärzte sollten die Bemühungen des BaT unterstützen, um schnellstmöglich einen Tarifvertrag zu etablieren