Arbeitszeiterfassung ist Pflicht
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 13. September 2022 entschieden, dass die gesamte Arbeitszeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufzuzeichnen ist. Dies gilt selbstverständlich auch für die notdienstleistende Branche der Tiermedizin. Die Arbeitgebenden sind verpflichtet ein System einzuführen, mit dem die gesamte geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Eine Delegation der Arbeitszeiterfassung an die Arbeitnehmenden ist möglich, die Verantwortung zur Einhaltung des Arbeitsschutzes liegt bei den Arbeitgebenden.
Was steht derzeit im Arbeitszeitgesetz?
§16 Absatz 2 des Arbeitszeitgesetzes verpflichtet die Arbeitgebenden zur Aufzeichnung der werktäglichen Arbeitszeit über acht Stunden sowie der gesamten Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen. Die die Arbeitszeitnachweise müssen mindestens zwei Jahre aufbewahrt und auf Verlangen der Aufsichtsbehörde vorgelegt oder zur Einsicht zugesendet werden.
Bisherige Regelung nicht mehr ausreichend
Die im Arbeitszeitgesetz festgelegte Regelung reichte dem Bundesarbeitsgericht (BAG) und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) aber nicht aus. Der EuGH hat entschieden, dass die Mitgliedstaaten die Arbeitgebenden verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die täglich geleistete Arbeitszeit aller Arbeitnehmenden gemessen werden kann (EuGH Rs. 55/18 CCOO).
Am 13. September 2022 hat daraufhin das Bundesarbeitsgericht verbindlich entschieden, dass in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmenden aufzuzeichnen ist. Ein Vorschlag für die zukünftige Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erarbeitet.
Ab wann ist die komplette Arbeitszeit zu erfassen?
Laut BAG ist die Aufzeichnung der gesamten Arbeitszeit mit der Entscheidung vom 13. September 2022 geltendes Recht. Somit darf mit der Umsetzung nicht gewartet werden, bis das Arbeitszeitgesetz an die Rechtsprechung des BAG angepasst wurde.
Wie muss die Arbeitszeit dokumentiert werden?
Derzeit gibt es noch keine Vorgaben, wie die Arbeitszeit aufzuzeichnen ist. Sie kann demnach auch handschriftlich erfolgen. Der BaT empfiehlt in seinen BaT Standards eine elektronische Zeiterfassung. Um festzuhalten, ob die Höchstarbeitszeit und die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten gewährt werden, muss Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit dokumentiert werden. Laut BMAS ist es weiterhin möglich, dass die Arbeitgebenden die Aufzeichnung der Arbeitszeit an die Arbeitnehmenden delegieren, die Verantwortung für die Einhaltung des Arbeitsschutzes liegt bei den Arbeitgebenden.
Muss die Arbeitszeit im Arbeitsvertrag festgehalten werden?
Ja! Die vereinbarte Arbeitszeit muss im Arbeitsvertrag dokumentiert sein. Durch die Änderungen im Nachweisgesetz sind darüber hinaus seit dem 01.08.2022 noch weitere Angaben zur Pflicht geworden. Auch vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen sind festzuhalten.
Basics Arbeitszeit und Ruhezeiten
Laut §3 des Arbeitszeitgesetzes darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmenden acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
Die Arbeit ist durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden. (§4 Arbeitszeitgesetz)
Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit müssen Arbeitnehmende eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden erhalten.
Ausnahmeregelungen gibt es in der Tiermedizin nicht
Notdienstleistende Praxen/Kliniken gelangen hier regelmäßig an die Grenzen des Machbaren, da eine große (häufig nicht vorhandene) Personaldecke nötig wäre, um einen durchgehenden, arbeitszeitkonformen Notdienst anbieten zu können. Durch den derzeit herrschenden Fachkräftemangel stehen vielerorts nicht genug Tierärztinnen und Tierärzte zur Verfügung. Ein Tarifvertrag kann durch eine Verlängerung der Arbeitszeit mit geregeltem Ausgleich zu einer Entspannung beitragen. Der BaT steht jederzeit für Gespräche zur Verfügung.
Weiterführende Informationen zum Arbeitsrecht für Tiermediziner gibt es im internen Mitgliederbereich.
Quellen
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts 09/2022
Fragen und Antworten zur Arbeitszeiterfassung (BMAS)
Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofs 05/2019