Erstmals BaT–Delegation beim 29. Deutschen Tierärztetag in Berlin
Der Deutsche Tierärztetag ist das höchste beschlussfassende Gremium der Tierärzt:innen in Deutschland und tagt alle drei Jahre. Grundsätzlich kann jeder approbierte Tiermediziner daran teilnehmen. Abstimmungsberechtigt sind jedoch nur die Delegierten, die von ihren Landestierärztekammern entsendet werden und Delegierte anderer Berufsverbände, sofern sie dieses ein Jahr vorher beantragt haben.
Richtungsweisende Beschlüsse
Für den BaT waren als Delegierte Dr. Elisabeth Brandebusemeyer, Dr. Juliane Munzel, Dr. Maria Aulmann und Dr. Martina Warschau benannt. Über die Landestierärztekammern nahmen Dr. Christian Wunderlich und Dr. Lilith Steingräber, sowie weitere in den Kammern engagierte BaT-Mitglieder teil.
Ziel war es, in den Arbeitskreisen verstärkt die Interessen der angestellten Tierärzt:innen einzubringen.
Am Donnerstag tagten drei Arbeitskreise unter dem Schwerpunktthema „One Health“: Arbeitskreis 1 „Infektionsschutz für Tier und Mensch“, Arbeitskreis 2 „Gesunde Tiere für sichere Lebensmittel“ und Arbeitskreis 3 „Tierschutz für Nutztiere“. Ein vierter Arbeitskreis unter Leitung der Präsidentin der LTK Niedersachsen Dr. Christiane Bärsch und der Präsidentin der LTK Hamburg, Dr. Susanne Elsner, widmete sich dem Thema: Quo vadis Tierärzt:innen?
Arbeitskreis 4, kontrovers-konstruktive Diskussionen
Eingeleitet durch Impulsvorträge von Laura Darracott und Dr. Jörg Schulenburg aus der Zukunfts-Kommission der BTK, untermauert durch Zahlen und Fakten von Jörg Held und unterstützt durch vorbereitende Thesenpapiere des Dessauer Zukunftskreises, vorgestellt durch Hubertus Keimer und Dr. Rolf Nathaus, entwickelte sich eine kontroverse und konstruktive Debatte.
Dieser mit Abstand größte Arbeitskreis beschäftigte sich mit Lösungen zur Verbesserung von Studienzulassung, Studium und Berufseintritt, mit akademikergerechter Entlohnung, Aufwertung von Teilzeitarbeit, Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und mit Tarifverträgen, als Instrument zur Etablierung transparenter Arbeitsbedingungen.
Einen großen Raum nahm die Diskussion zur Lösung der arbeitszeitgesetzkonformen Notdienstversorgung ein. Während von Seiten der Arbeitgebenden eine Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes gefordert wurde, machte sich die BaT-Delegation auch hier für Tarifverträge stark, die einen monetären Vorteil für Arbeitnehmende bieten. Dieser Standpunkt fand sich am Ende auch in den Beschlüssen des Tierärztetages wieder.
Hauptversammlung stimmt über Thesenpapiere ab
Am Freitag wurde neben dem Bericht des BTK-Präsidenten Dr. Uwe Tiedemann und verschiedenen, im Vorfeld eingereichten Anträgen erneut über die Ergebnisse der Arbeitskreise diskutiert, bevor abschließend darüber abgestimmt wurde.
Die Ergebnisse werden als Forderungen an die Politik, die Gesellschaft, die Verbände aber auch an die Tierärzteschaft selbst herangetragen.
Eine gute Diskussionskultur, ein diverses Teilnehmerfeld mit vielen jungen und weiblichen Delegierten sorgte dafür, dass besonders Frauen als Lösung der aktuellen Probleme in der Tiermedizin im Fokus standen und nicht als deren Verursacher betitelt wurden.
Beschlüsse aus dem Arbeitskreis 4 “Quo Vadis Tierärzt:innen”
Das Staatsziel Tierschutz und der Gesundheitsschutz (Lebensmittelsicherheit und Zoonosen) sind in Gefahr durch den Mangel an Tierärzt:innen!
Der Arbeitskreis stellt folgende Forderungen
- an die Tierärzteschaft
- an die Politik
- an die Verbände
- an die Gesellschaft
um dem Tierärzt:innenmangel zu begegnen:
Im Studium
- mehr veterinärmedizinische Studienplätze schaffen
- Hochschulen / Universitäten dafür finanziell und personell stärken und ausstatten
- Zulassungskriterien zwischen den Fakultäten harmonisieren
- Gleichzeitige Bewerbung auf mehrere med. Studiengänge wieder abschaffen
- Numerus Clausus weniger stark gewichten, fachspezifische Vorausbildung (noch) mehr anerkennen und alternative Studienplatzvergabe verstärkt nutzen (z.B. Auswahlgespräche), ggf. unter Einbeziehung der Landes-/Tierärztekammern
- Vereinheitlichung der Kenntnisprüfung
- Curriculum / TAppV reformieren: Schlüsselkompetenzen implementieren (u.a. Praxismanagement, Kommunikation, Life skills, Führungskompetenzen)
- Aufwandsentschädigung für Praktikumsbetriebe (Amt, Praxis, Schlachthof…) einführen
- ggf. Praktikant:innen durch den Betrieb entlohnen
In der Berufsausübung
- Tarifverträge schließen, um Flexibilisierung im Arbeitszeitrecht und Lohngerechtigkeit zu erreichen
- Gehälter an Tarifentlohnung / akademische Standards anpassen
- Nacht- und Notdienstzuschlag, Arbeitszeitausgleich, Lohnzusatzleistungen konsequent anwenden
- Ausnahmemöglichkeiten im Arbeitszeitgesetz analog der Humanmedizin auch für die Tiermedizin schaffen
- bessere Arbeitsbedingungen schaffen (Kinderbetreuung sicherstellen, Aufstiegsmöglichkeiten, sichere Dienstpläne, psychologische Unterstützung, Flexibilisierung der Arbeitszeit ermöglichen …)
- Notdienstpflicht 24/7 für Einheiten mit mindestens 20 tierärztliche Vollzeitäquivalenten (je Großtiere, Kleintiere, Pferde) einführen
- Führungskompetenzen der Arbeitgeber:innen durch Fortbildung verbessern
- Tierärzt:innen bei der Umsetzung des Tierschutzes (Meldungen von Tierschutzverstößen) unterstützen und schützen
- Sorgfältige Einarbeitung von Berufsanfängern und Wiedereinsteigern etablieren
- Selbständigkeit fördern und absichern
- Krankenversicherung für Tiere fördern
- Bürokratie abbauen
- Digitalisierung und Prozessoptimierung vorantreiben
- Kompetenzen der TFA, Praxismanager:innen und anderer tierarztbegleitender Berufe stärken
Öffentlichkeitsarbeit nach innen und nach außen
- Statistik der Tierärzteschaft unter Einbeziehung professionellen Sachverstandes erweitern und auswerten, um daraus Strategien u.a. gegen den Versorgungsmangel zu entwickeln
- proaktiv das Image der Tierärzt:innen schärfen, das Berufsbild mit allen Facetten darstellen und hierfür auch digitale Medien nutzen
- Freiberuflichkeit wahrnehmbar darstellen
- externe (Medien-)Profis nutzen
- Wertschätzung für tierärztliche Leistung erhöhen
- Runden Tisch mit allen tierärztlichen Institutionen und Verbänden einsetzen, um im Jahr 2023 einen „Tierarztgipfel“ im zuständigen Ministerium (BMEL) anzustreben
- tierärztliche Fachkompetenz im politischen Raum implementieren
- Kampagne „Versorgungssicherheit ist gefährdet“ des Dessauer Zukunftskreises unterstützen!
Berlin, den 16. September 2022
Die Beschlüsse aller Arbeitskreise finden sich auf der Seite der Bundestierärztekammer unter folgendem Link.