Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes für schwangere Tierärztinnen
Angestellte Tierärztin und schwanger – darf ich noch arbeiten?
Viele Tierärztinnen, die in Praxen oder Kliniken angestellt sind, werden quasi über Nacht mit einem Beschäftigungsverbot konfrontiert, wenn sie ihre Schwangerschaft bekannt geben. Der Schutz des ungeborenen Kindes steht im Vordergrund und die werdende Mutter steht unter der Obhut des Mutterschutzgesetzes. Doch was genau macht den Arbeitsplatz in der Tiermedizin angeblich so unvereinbar? Und muss wirklich jede schwangere Frau in der Tierarztpraxis sofort aufhören zu arbeiten?
Die Gefährdungsbeurteilung – Pflicht der Arbeitgebenden
Angestellte Tierärzt:innen kommen oft erst mit Eintritt einer Schwangerschaft mit dem Begriff „Gefährdungsbeurteilung“ in Kontakt. Dabei gilt ganz allgemein, dass Arbeitgebende die Arbeitsumgebung ihrer Angestellten regelmäßig bewerten und beurteilen müssen.
Oft liegt in tierärztlichen Betrieben keine detaillierte Gefährdungsbeurteilung vor, weil die Inhaber:innen von ihrer Pflicht schlicht und ergreifend nicht wissen oder sich nicht die Mühe machen, eine solche zu erstellen. Diese ist aber gesetzlich vorgeschrieben und gilt ganz unabhängig von Schwangerschaft und Stillzeit. §5 des Arbeitsschutzgesetzes sieht vor, dass jeder Betrieb, der Angestellte beschäftigt, eine grundsätzliche Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes durchführt. Diese umfasst in der Tiermedizin mögliche Verletzungen, den Umgang mit Gefahrstoffen, Gefährdungen durch Röntgenstrahlung, Vorsichtsmaßnahmen bei der Untersuchung und Behandlung von Tieren und vieles mehr.
Die Gefährdungsbeurteilung, die man sich wie eine Art Checkliste, auf den Betrieb angepasst, vorstellen kann, sollte standardmäßig parat liegen.
Welches ist nun das korrekte Vorgehen, wenn ich als angestellte Tierärztin meine Schwangerschaft meinen Vorgesetzten gegenüber bekannt gegeben habe?
Zunächst einmal ist der Arbeitgebende verpflichtet, die Schwangerschaft seiner Arbeitnehmerin dem zuständigen Gewerbeaufsichtsamt oder dem Betriebsarzt zu melden. Auch eine Meldung an die Krankenkasse erfolgt. Es wird nun nicht automatisch ein Beschäftigungsverbot erteilt, aber es muss unverzüglich eine Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes durch den/die Arbeitgeber:in (evtl. unter Einbezug der Schwangeren) erfolgen. Dies geschieht, indem die Checkliste besprochen und festgelegt wird, welche Tätigkeiten die Schwangere nicht mehr ausüben darf und welche Schutzmaßnahmen ab sofort erforderlich sind. Damit das Mutterschutzgesetz mit all diesen Maßnahmen greift, muss die Schwangerschaft natürlich bekannt sein.
In diesem Schritt wird klar, dass im tierärztlichen Praxisumfeld durch Infektionserreger, Medikamente, Spritzen, Röntgen, die Tiere selbst usw. eben deutlich mehr Gefahren für das ungeborene Kind und die werdende Mutter lauern, als beispielsweise an einem reinen Büro-Arbeitsplatz.
Arten des Beschäftigungsverbotes
Mitunter ergeben sich nach Durchführung der Gefährdungsbeurteilung so große Einschränkungen bei den Einsatzmöglichkeiten der werdenden Mutter, dass Inhaber:innen ein betriebliches Beschäftigungsverbot erteilen. In diesem Falle erhält die werdende Mutter weiterhin ihr volles Gehalt, die Arbeitgebenden können sich die Kosten vollständig von der Krankenkasse ersetzen lassen. Gerade in größeren Praxen oder Kliniken kann es aber auch Möglichkeiten geben, schwangere Kolleginnen bis zum Eintritt in den Mutterschutz sicher und sinnbringend weiter zu beschäftigen und damit im Team zu halten.
Hat der/die Arbeitgeber:in die erforderlichen Schutzmaßnahmen (noch) nicht vollständig umgesetzt, darf er oder sie die Schwangere nicht beschäftigen. Hier ist — wenn nötig — zur Klärung der Kontakt zu Aufsichtsbehörde oder Frauenarzt/ärztin empfehlenswert, um ein vorläufiges Beschäftigungsverbot zu erwirken.
Während einer Schwangerschaft können natürlich auch medizinische Gründe kurzfristige Anpassungen erforderlich machen. In solchen Fällen kann jederzeit ein ärztliches Beschäftigungsverbot durch Ärzt:innen (nicht nur Gynäkolog:innen) ausgesprochen werden. Möglich sind hier auch Teil-Beschäftigungsverbote, die zeitliche Einschränkungen oder das Verbot bestimmter Tätigkeiten bewirken. Arbeitgebende dürfen Schwangere dann entsprechend der Angaben nicht weiterbeschäftigen.
Zusammenfassend gesagt…
… muss es also nicht zwangsläufig sein, dass schwangere Tierärztinnen von heute auf morgen nicht mehr arbeiten dürfen. Voraussetzung für eine Weiterbeschäftigung bis zum Eintritt in den Mutterschutz ist aber immer die Einhaltung des Mutterschutzgesetzes. Die Weiterbeschäftigung einer schwangeren Kollegin darf nur erfolgen, wenn eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt, erforderliche Schutzmaßnahmen am individuellen Arbeitsplatz umgesetzt wurden und keine medizinischen Gründe dagegensprechen.
Wo erhalte ich weiterführende Informationen?
In welchen Schritten eine Gefährdungsbeurteilung korrekt durchgeführt und erstellt wird, ist ausführlich auf der Webseite der Berufsgenossenschaft (BGW) nachzulesen:
Gefährdungsbeurteilung — bgw-online
Die Berufsgenossenschaft hat mittlerweile einen ausführlichen Leitfaden speziell für die Tiermedizin erarbeitet, auf den auch die Bundestierärztekammer verweist:
Leitfaden und Gefährdungsbeurteilung für die Tiermedizin
Eine knappe Zusammenfassung der Vorgehensweise bei Bekanntgabe einer Schwangerschaft hat die Bundestierärztekammer auf Ihrer Webseite:
Merkblatt Schwangere in der tiermedizinischen Praxis
Einen ausführlichen Leitfaden zum Mutterschutz stellt das Bundesfamilienministerium bereit:
Leitfaden zum Mutterschutz (bmfsfj.de)
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