Live Career Day: Battles Arbeitnehmer — Arbeitgeber
Das Gremium Berufspolitik des BaT war für Sie aktiv und hat sich die Vorträge und Battles beim Live Career Day des bpt-Kongresses 2020 ganz genau angehört. Für alle, die nicht dabei sein konnten, gibt es im Folgenden kurze Zusammenfassungen der Battles rund um das Thema Arbeitnehmer — Arbeitgeber. Der Live Career Day beschäftigte sich außerdem mit Themen rund um den Einstieg in das Berufsleben und den Arbeitsmarkt in der Tiermedizin und sprach somit alle tiermedizinischen Kollegen, ob Absolvent, Praxisinhaber oder Widereinsteiger gleichermaßen an. Auch das Thema Tarifvertrag in der Tiermedizin wurde diskutiert.
“BATTLE: Brauchen Tierarztpraxen/-kliniken einen Personalmanager?“ — TA Christian Protz vs. Dr. Felix von Hardenberg
Im ersten Battle des Tages diskutierte TA Christian Protz, Inhaber von zwei Kleintierpraxen, mit Dr. Felix von Hardenberg (Hardenberg Consulting) über die Notwendigkeit eines Personalmanagers für Tierarztpraxen und ‑kliniken. Protz vertrat den Standpunkt, dass besonders in kleinen Einheiten bis 20 Mitarbeitenden der Benefit am größten sei, wenn die Personalpolitik Chefsache sei. Von Hardenberg entgegnete, dass die Wertschöpfung größer sei, je mehr Zeit der/die fachlich gut ausgebildete Chef/in am Tier verbringe. Die Suche nach neuem, wie auch Management des vorhandenen Personals, solle extern organisiert werden.
Protz betonte die Wichtigkeit der Praxisinhaber/innen für den Zusammenhalt des Teams. Ihm sei es wichtig, sein Wissen weiterzugeben und emotional für seine Mitarbeiter/innen da zu sein. Die Frage von Moderator Heiko Färber nach persönlicher Fortbildung auf dem Gebiet des Personalmanagements beantwortete Protz zustimmend. Von Hardenberg wies auf die vielen branchenfremden Fortbildungsmöglichkeiten hin.
Als BaT begrüßen wie jede/n, die/der sich mit dieser Thematik befasst. Denn egal, ob nun professionell als Personalmanager/in oder als leitende/r Tierärztin/Tierarzt– die Personalführung ist immens wichtig.
„Was macht einen guten Arbeitgeber aus?“ — Kathrin Siemer, Tierklinik Lüsche
Kathrin Siemer, Personalmanagerin der Tierklinik Lüsche, beleuchtete in ihrem Vortrag die Herausforderungen, denen eine Einrichtung gegenübersteht, um von potentiellen Angestellten als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Für die Generation Y bot der Vortrag nicht viel Neues: Angestellte würden einen Sinn in ihrer täglichen Arbeit sehen wollen, mitgestalten und vor allem den Beruf mit dem restlichen Leben vereinbaren können.
Laut Siemer gäbe es „harte Faktoren“ (Gehalt, Aufstiegsmöglichkeiten, Reputation der Klinik) und „weiche Faktoren“ (Arbeitsklima, Teamgefühl), die Männern bzw. Frauen unterschiedlich wichtig wären. Natürlich müssen diese Bedürfnisse von Seiten der Angestellten immer wieder geäußert werden, denn auch der perfekteste Chef kann keine Gedanken lesen.
Die Aufgabe, eine wertschätzende und vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der Probleme angesprochen werden können, obliegt unserer Meinung nach allerdings der Klinik- oder Praxisleitung.
„Der Arbeitsvertrag – was geregelt sein MUSS“ — Gabriele Moog
Die bpt-Rechtsanwältin Gabriele Moog hielt einen wichtigen und informativen Vortrag darüber, was in einem Arbeitsvertrag geregelt werden muss. Mit diesem Thema gelang es ihr, sowohl Arbeitnehmer/innen als auch Arbeitgeber/innen anzusprechen. Neben den sachlichen und interessanten Informationen, die Moog präsentierte, gab sie für beide Seiten ebenfalls nützliche Tipps. Zum Beispiel lohne es sich, nicht auf existierende Standardverträge zu vertrauen, sondern individuelle Verträge zu formulieren. ArbeitnehmerInnen wurden zudem dazu ermutigt, ihre erhaltenen Verträge von Rechtsexperten sorgfältig prüfen zu lassen, bevor sie unterschrieben werden.
Dieser Vortrag war besonders für ArbeitnehmerInnen interessant, die sich in Bewerbungsphasen oder in neuen Vertragsverhandlungen befinden. Er lieferte Ideen, den eigenen Arbeitsvertrag neben Standards wie dem Grundgehalt, zu erweitern, um sich im Streitfall abzusichern.
Um wichtige Themen bei der Vertragsverhandlung im Hinterkopf zu haben, verweisen wir ebenfalls gern auf unsere BaT Standards.
„Battle: Besser angestellt oder besser selbstständig?“ — Dr. Hanna Gerß vs. Dr. Jörg Rieper
Frau Dr. Gerß schätzt ihre Selbstständigkeit. Sie könne eigene Entscheidungen treffen, nach eigener Philosophie handeln, und unerwünschte Kunden ablehnen. Dafür trüge sie jedoch auch viel Verantwortung und das wirtschaftliche Risiko. Ein hohes Verantwortungsbewusstsein empfindet Herr Dr. Rieper auch als angestellter Tierarzt im Alltag. Er genieße jedoch die Vorzüge eines wirklich freien Feierabends ohne wirtschaftlichen Druck. Mit der derzeitigen Arbeitsmarktsituation hätten es angestellte TierärztInnen momentan auch leicht, bei Unzufriedenheit den Job zu wechseln. Außerdem sei man bei der stetig wachsenden Bürokratie schon als Angestellte/r viel mit Papierkram beschäftigt, bei Selbstständigkeit nehme das einen großen Anteil an der Arbeitszeit ein.
Beide sind sich einig: Ob Selbstständigkeit oder Festanstellung ist eine Sache der Persönlichkeit und der Lebensumstände. Im Studium solle mehr BWL und wirtschaftliches Arbeiten gelehrt werden. Dennoch lässt sich sagen, dass beide die Selbstständigkeit eher als Ausweg aus einem schlechten Arbeitsverhältnis sahen, denn als eigenständigen Wunsch.
„Mein Wunschgehalt und was muss ich dabei leisten“ — Hans-Peter Ripper
Herr Rippers Vortrag wirkte wie ein Weckruf an die Tierärzteschaft. Er zeigte in einer Modellrechnung auf, dass ein/e Angestellte/r in Vollzeit bei einem Wunschgehalt von 5000€ brutto einen Sollumsatz von etwas über 20.000€ im Monat erwirtschaften müsse. Das entspräche bei 70€/Patient einer Behandlungsfrequenz von zwei Patienten pro Stunde (die Zahlen sind bezogen auf das konkrete Modell und nicht ohne weiteres übertragbar).
Er verdeutlichte, dass, wer ein hohes Gehalt erwarte, auch Umsatz generieren müsse. Zu viele Praxen rechneten nicht alle Leistungen ab, was zu massiven Umsatzeinbußen führe. Wer mehr Gehalt erwarte, müsse auch dafür sorgen, dass die Kasse entsprechend gefüllt werde und die Vorgesetzten einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Arbeit der Angestellten zögen.
Auch wenn sich anhand der Zuhörerkommentare zeigte, dass es nicht selten die ChefInnen sind, die nicht alle Leistungen eingeben, war es auch für angestellte TierärztInnen ein Aufruf zum korrekten Abrechnen.
Von unserer Seite als BaT ist jedoch anzumerken, dass die Verantwortung für ein kostendeckendes Wirtschaften und eine korrekte Bezahlung der Angestellten letztendlich bei den Praxisinhabern liegt.
Wie steht es mit der Arbeitszufriedenheit in Praxen/Kliniken? — Dr. Johanna Kersebohm
Frau Dr. Johanna Kersebohm aus dem bpt Arbeitskreis „Angestellte Tierärzte“ stellte in diesem Vortrag Ergebnisse einer Umfrage zur Arbeitszufriedenheit vor, mit welcher Thematik sie sich auch in Ihrer Doktorarbeit aus 2018 befasste.
Die Probleme, die dabei hervorgehoben wurden, sind nicht neu. Die Vereinbarkeit von Familie & Beruf würde sich als sehr schwer gestalten, die Notdienste seien belastend und diese, wie auch Überstunden würden nicht flächendeckend vergütet. Über 1/3 der Befragten gaben an, länger als erlaubt zu arbeiten, und zeigen das Ausmaß der Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz. Nicht verwunderlich also, dass jede/r zweite Umfragenteilnehmer/in unzufrieden oder nur teilweise zufrieden mit den Vorgesetzten war.
Wichtig sei Wertschätzung, eine offene Kommunikation und Feedback. Das will gelernt sein und so appelliert Kersebohm an die ArbeitgeberInnen Weiterbildungen im Personalwesen zu besuchen und gemeinsam die Situation der ArbeitnehmerInnen zu verbessern.
Wir schließen uns diesen Forderungen gerne an und freuen uns Mitstreiter zu haben, die für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes, die entsprechende Vergütung von Überstunden und eine allgemeine Gehaltserhöhung, wie auch vieles mehr, arbeiten.
„Umsetzung des EuGH Urteils – Effiziente und rechtssichere Arbeitszeiterfassung in der Praxis“ — Dr. Dominique Possmann-Dias
Dieser, den Tag abschließende, Vortrag von Frau Dr. Dominique Possmann-Dias von VetStage, bezieht sich auf ein Urteil des EuGH vom Mai 2019 in Spanien zur Arbeitszeiterfassung. Dieses führte dazu, dass die Mitgliedsstaaten die nationale Rechtslage unionsrechtskonform anpassen müssten. ArbeitgeberInnen seien verpflichtet, „ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“.
Noch müsse diese Entscheidung in nationales Recht umgesetzt werden, daher blieben Details der Umsetzung noch offen. Unumstritten sei jedoch, dass die Pflicht kommen wird.
Possmann-Dias klärt über verschiedene Arten der Arbeitszeiterfassung auf. Ob nun handschriftlich oder digital. Wichtig wäre, dass es rechtskonform sei, der Datenschutz eingehalten würde, es umsetzbar sei und von MitarbeiterInnen akzeptiert würde. Es sollte nicht mehr Arbeit für alle Beteiligten bedeuten.
Possmann-Dias wirbt klar für ein digitales Mitarbeitermanagement und appelliert, die Übergangszeit bis die Pflicht kommt, zu nutzen. Sie stellte auch ein Produkt von VetStage vor, welches dieses in den Praxis-/Klinikalltag integriert.
Eine geregelte Arbeitszeiterfassung sollte schon längst Standard in tierärztlichen Praxen sein. Der BaT begrüßt die Thematisierung des derzeitigen Standes, insbesondere die Vorstellung von Lösungskonzepten zur Umsetzung im tierärztlichen Alltag.
November, 2020
Gremium Berufspolitik des BaT