Stellungnahme des BaT zum Entwurf der neuen GOT
“Sehr geehrter Herr Rüllich, geehrte Mitarbeiter:innen des BMEL,
anbei erhalten Sie unsere Stellungnahme sowie einen Anhang zu unseren Ausführungen.
Für uns als Berufsverband, der ausschließlich angestellte Tierärzt:innen vertritt, haben drei Punkte Priorität:
Lohnerhöhungen für angestellte Tierärzt:innen
Aus unserer Sicht lässt sich nur dadurch die unverändert anhaltende Abwanderung aus dem Beruf stoppen, der Fachkräftemangel auffangen, die Notdienstproblematik lösen und die Attraktivität der Tiermedizin auch für männliche Studienbewerber wieder erhöhen. Als Berufsverband ausschließlich für angestellte Tierärzt:innen sind unser Ziel Tarifverträge mit deutlich höherer Vergütung, als sie bisher im Durchschnitt gezahlt wird. Die Grundlage dafür kann nur mit der neuen GOT gelegt werden. In Kombination mit Tarifverträgen können die Rahmenbedingungen für die Tiermedizin neugestaltet werden, wie dies auch in anderen medizinischen und notdienstleistenden Branchen Usus ist.
Einer Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes erteilt der BaT eine klare Absage. Aus einer Studie des BaT zusammen mit dem VUK, die zeitlich parallel zur GOT Studie lief und an der 1416 angestellte Tierärzt:innen teilnahmen, ergab sich im Mittel ein Bruttostundenlohn von 20,51 €. Im Vergleich mit anderen Akademiker:innen mit erfolgreichem Abschluss ist dies unangemessen für einen der anspruchsvollsten Studiengänge Deutschlands. Die vorgeschlagene Erhöhung der GOT reicht hier nicht aus, damit die Arbeitgeber:innen den angestellten Tierärzt:innen die dringend erforderlichen höheren Löhne zahlen können. Bisher wurden lediglich die allgemeinen Preissteigerungen der vergangenen Jahre, der Zeitfaktor der einzelnen Leistungen und der Fortschritt der Tiermedizin mit Aufnahme neuer Posten berücksichtigt.
Dringend erforderliche, deutliche Lohnsteigerungen für angestellte Tierärzt:innen und Tiermedizinische Fachangestellte, sowie ein angemessener Zuwachs beim Einkommen der selbstständigen Tierärzt:innen wurden nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Insbesondere die Abwertung einzelner Positionen im neuen GOT-Entwurf, verglichen mit der bestehenden GOT und der Wegfall des Zeitfaktors ist daher in keinem Fall nachzuvollziehen und wird – in Anbetracht der aktuellen Inflation — vom BaT abgelehnt.
Anpassung der GOT an die Realität
Die Tiermedizin der kommenden Jahre ist zunehmend weiblich und arbeitet im Angestelltenverhältnis. Der BaT begrüßt ausdrücklich, dass dieser Tatsache durch das zukünftige Gendern innerhalb der GOT Rechnung getragen wird. Wir präferieren in diesem Zusammenhang die Formulierung „Tierärzt:innen“, da sie auch nichtbinäre Personen einschließt. Vor dem Hintergrund des hohen Frauenanteils der nächsten tiermedizinischen Generation, ist es aus BaT-Sicht unzureichend, eine rückwärtsgewandte GOT neu aufzulegen, die basierend auf Vorschlägen der BTK aus 2012, nur Inhaber:innen, die in der Lage sind, mehr als 60 Wochenstunden zu arbeiten, ein befriedigendes Auskommen bietet. Auch mit Pausen für Familienarbeit und in Teilzeit, muss es sich lohnen, weiterhin im Beruf zu arbeiten. Dieses gilt gleichermaßen für den großen Anteil selbstständiger Tierärzt:innen, die in kleinen Einzelpraxen bisher nicht gewinnbringend tätig sind. Auch hier muss der einfache Gebührensatz in Zukunft ausreichen, um ein angemessenes Einkommen zu generieren. Human- und Zahnmedizin, mit deutlich höheren Verdienstmöglichkeiten, bieten Modelle für Frauen, auch mit Familie oder in Teilzeit weiter tätig zu sein. In beiden Branchen ist keine massive Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte zu beobachten. Durch Bezahlung nach Tarifverträgen ist zudem der Gender Pay Gap kein Thema mehr, was automatisch zu einem Anstieg der Löhne bei Frauen führt.
In diesem Zusammenhang muss auch die Altersvorsorge in den Fokus genommen werden, sehen wir doch die Gefahr, dass bei Bezahlung nach der bisherigen GOT gerade angestellte Kolleginnen von Altersarmut bedroht sind. Die neue GOT muss so gestaltet sein, dass sie auch nach dem Berufsende ein angemessenes Auskommen sichert.
Tierärzt:innen werden in Zukunft zunehmend in größeren Einheiten angestellt tätig sein. Daher ist es erforderlich den Personenkreis, der nach GOT abrechnungspflichtig ist, zu erweitern. Wir schlagen für §1 Abs. 1 Satz 2 folgende Formulierung vor: “Satz 1 gilt entsprechend für eine Leistungserbringung durch Unternehmer nach § 14 BGB oder zweitem Buch HGB.” Juristische Personen und Unternehmen müssen ebenso an die GOT gebunden sein, wie inhabergeführte Praxen und Kliniken, ansonsten entsteht hier ein rechtsfreier Raum und eine wirtschaftliche Schieflage. Bevor renditeorientierte Konzerne über ihre Marktmacht auch in der Tiermedizin vollendete Tatsachen schaffen, wie in anderen Ländern bereits geschehen, ist es hier Aufgabe der Politik, Diversität und fairen Wettbewerb zu erhalten und zu gewährleisten. Neben der Studie von BaT und VUK bitten wir um Berücksichtigung einer weiteren ganz aktuellen Studie.
Die Forschung von Dr. Kathrin Schwerdtfeger zur Suizidgefährdung von Tierärzt:innen in Deutschland geht von einem fünf-bis sechsfachen Risiko für Tierärzt:innen aus, Selbstmord zu begehen. Als eine der Hauptursachen wurde die Diskrepanz zwischen dem tierärztlichen Engagement und der daraus resultierenden Belohnung bzw. Wertschätzung ermittelt. Dazu gehört neben der ideellen Wertschätzung immer auch die monetäre Entlohnung. Mit der Neufassung der GOT verfügt der Gesetzgeber über einen Hebel, hier für ein Ende der belastenden Situation zu sorgen.
Wandel gestalten
Tierärzt:innen arbeiten in zahlreichen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen. Ob in der Epidemiologie, der Tierseuchenprophylaxe, der Lebensmittelsicherheit, dem Tierschutz, der Grundlagenforschung oder der Impfstoff — und Pharmaindustrie. In vielen dieser Bereiche steht ein notwendiger und politisch gewollter Wandel an. Egal ob beim Klimaschutz oder bei der Agrarwende. Tierärzt:innen können hier wichtige Aufgaben übernehmen, deren komplexe Lösungen sich im Rahmen der GOT lohnen müssen. Hier muss die GOT eine steuernde Wirkung ausüben, indem Leistungen, die im Zusammenhang mit der kompetenten Beratung durch uns Tierärzt:innen erfolgen, finanziell anerkannt und deutlich höher gewichtet werden.
Die Notwendigkeit, die GOT im Rahmen der jetzigen Neufassung stark nach oben an die Realitäten des Berufes anzupassen, erfordert auch einen Wandel in der Kommunikation mit den Tierbesitzer:innen. Zu lange ist man im Kleintierbereich ein romantisierendes, nicht von wirtschaftlichen Interessen und Zwängen geleitetes, verzerrtes Berufsbild gewohnt. Dieses hat einen hohen Preis bei den Kolleg:innen gefordert. Obwohl der Heim- und Kleintiersektor ein boomender Markt ist, auf dem Milliarden für Futtermittel und Zubehör umgesetzt werden, sind die Preise beim Tierarzt / der Tierärztin in Deutschland im internationalen Vergleich immer noch sehr günstig geblieben. Die Erwartungshaltung der Patientenbesitzer:innen ist demgegenüber fordernd, rund um die Uhr soll eine Maximalversorgung geboten werden, wie sie nicht einmal in der Humanmedizin existiert. Auch Tierschutzverbände tragen zum unrealistischen Bild des idealistischen, kostenlos oder zum Selbstkostenpreis arbeitenden Kollegen/Kollegin bei. Tierschutz ist ureigenstes Anliegen von uns Tierärzt:innen, kann aber nicht der wirtschaftlichen Existenz der Praxen übergeordnet werden. Hier müssen Betreuungsverträge und Kastrationsaktionen für gemeinnützige Organisationen, wie sie die neue GOT vorsieht, verstärkt Anwendung finden.
Die Entwicklung und der Umbau in der Landwirtschaft, bedingt durch den Klimawandel, veränderte Verbraucherwünsche nach besseren Haltungsformen und weltpolitische Geschehnisse, ist aktuell sehr herausfordernd und wird auch die Tiermedizin stark beeinflussen. Die mit der GOT möglichen Sondervereinbarungen im Rahmen von Betreuungsverträgen sollten hier genutzt werden, um Härten zu vermeiden. Allerdings müssen auch hier tierärztliche Leistungen adäquat in Rechnung gestellt werden können. Eine entsprechende Anhebung der Gebührensätze der Bestandsbetreuung begrüßen wir daher sehr. Die Situation in der Pferdebranche stellt sich nach unserer Studie als besonders schwierig für angestellte Tierärzt:innen dar. Gesetzeswidrig lange Arbeitszeiten bei unzureichender Bezahlung fallen hier besonders auf. Ein weiteres Indiz für die Notwendigkeit des Wandels hin zu Tarifverträgen und angemessener GOT. In diesem Zusammenhang sollten die Auswirkungen der Neufassung der GOT, wie geplant, spätestens nach vier Jahren evaluiert werden. Der rasante Wandel unserer Branche erfordert zeitnahe Anpassungen, um Fehlentwicklungen rasch zu erkennen und gegensteuern zu können. Eine unzureichende Anpassung über einen sehr langen Zeitraum, wie bei der letzten GOT geschehen, die zu massiven negativen Konsequenzen für unseren Berufsstand geführt hat, darf sich nicht wiederholen. Eine Prüfung, ob inflationsbedingte Preissteigerungen ebenfalls bereits zwischenzeitlich einfließen können, würden wir begrüßen.
Fazit
Die Tiermedizin gehört zu den systemrelevanten Branchen, die in der Corona-Pandemie die medizinische Versorgung der Tiere gewährleistet und dabei deutlich zugelegt hat. Gleichzeitig ist die medizinische Versorgung in einzelnen Regionen und besonders im Notdienst infolge des gravierenden Personalmangels bereits gefährdet. Der Boom der Branche ist ein guter Zeitpunkt zur deutlichen Anhebung der Gebührenordnung. Glücklicherweise befinden wir uns in dieser komfortablen Situation. Diese Chance müssen wir jetzt nutzen, den Wandel gestalten und gemeinsam selbstbewusst gegenüber den Tierbesitzer:innen kommunizieren.
Für den Bund angestellter Tierärzte e.V.
Dr. Elisabeth Brandebusemeyer, 2.Vorsitzende & Dr. Christian Wunderlich, 1.Vorsitzender